Die Stuttgarter Philharmoniker spielten Mussorgksys „Bilder einer Ausstellung“

07.
Mai.
2017

Plakative Wirkungen

In der vergangenen Woche waren im Beethovensaal gleich zwei ausgesprochene Exoten unter den Schlaginstrumenten zu hören. Zunächst, beim Konzert des SWR Symphonieorchesters, der Riesenhammer, mit dem Gustav Mahler in seiner sechsten Symphonie die drei Schicksalsschläge krachend beglaubigen lässt. Zwei Tage später, bei dem der Stuttgarter Philharmoniker, versetzte dann eine veritable Kirchenglocke die Luft im Saal bis zur letzten Stuhlreihe nachhaltig in Schwingung. Für „Das große Tor von Kiew“, den letzten Satz von Mussorgksys Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ ist eine solche Glocke vorgesehen, die die Wirkung des ohnehin schon üppig instrumentierten Finales zusätzlich steigert. Man ja froh, dass das monumentale Werk überhaupt aufgeführt wird, gehört es doch zum Grundkanon klassischer Musik und wird auch gern im Schulunterricht behandelt – weshalb wohl auch viele junge Gesichter im fast voll besetzen Saal zu sehen waren, die die Gelegenheit wahrgenommen hatten, das Stück mal live und von einem richtigen Symphonieorchester zu hören (was dann doch was anderes ist als auf CD).
Der tosende Applaus am Ende gab dann auch Chefdirigent Dan Ettinger und seinen Philharmonikern recht, die sich in „Das Große Tor von Kiew“ noch einmal nach Kräften ins Zeug gelegt hatten, um es in seiner ganzen pompösen Wuchtigkeit auszuspielen – insgesamt sehr laut und auch sehr breit im Tempo, was insgesamt einen statischen, fast tableauhaften Klangeindruck evozierte. Dass Ettinger plakative Wirkungen liebt, wurde schon vorher deutlich. Noch durchaus überzeugend beim sehr plastisch nachgezeichneten hinkenden „Gnom“, auch beim kecken „Ballett der Küken in ihren Eierschalen“. Dagegen blieb das „Das alte Schloss“ klanglich unscharf und atmosphärisch diffus. Nicht nur hier ließ Ettinger, anstatt den Charakter distinkt herauszuarbeiten, pauschalen Schönklang zelebrieren – besonders gilt dies für die „Katakomben: Römisches Grab“, die jeden morbiden Schauer vermissen ließen.
Morbide ist auch, dem Titel zum Trotz, Liszts „Totentanz“ für Klavier und Orchester nicht. Die russische Pianistin Olga Kern spielte die Variationen über das Dies Irae-Thema vor der Pause ebenso mit dem gebotenen virtuosen Aplomb wie Prokofjews erstes Klavierkonzert, das man sich allenfalls noch etwas schärfer konturiert hätte vorstellen können – Prokofjews Feuer kommt, anders als bei Rachmaninov, aus der Kälte. (STZN)

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