Anne Sophie Mutter spielte mit der Philharmonia Zürich

14.
Mai.
2017

Aus flüssigem Gold

Heute würde man sagen, es war ein klassischer One-Hit-Wonder. Sein erstes Violinkonzert, das Max Bruch mit 28 Jahren schrieb, avancierte nach einer Revision durch den Geiger Joseph Joachim zu einem der beliebtesten romantischen Werke überhaupt – kaum eine Best-of-Classics-Sammlung, die nicht zumindest den zweiten Satz enthielte. Freilich überstrahlte der Erfolg des Werks auch alles, was Bruch danach komponierte, sehr zum Ärger des Komponisten, der Jahre später in einem Brief an seinen Verleger Simrock klagte: „Ich kann dies Concert nicht mehr hören – habe ich vielleicht bloß dies eine Concert geschrieben? Gehen Sie hin und spielen Sie endlich einmal die andern Concerte, die ebenso gut, wenn nicht besser sind!'“
Sein Wunsch bliebt unerhört. Das erste Konzert blieb ein Dauerbrenner und verspricht Veranstaltern bis heute gut gefüllte Konzertsäle – zumal wenn die Solistin Anne Sophie Mutter heißt, die es nun zusammen mit der Philharmonia Zürich im prall gefüllten Beethovensaal gespielt hat. Mit Karajan und den Berliner Philharmonikern hat die damals 18-jährige Mutter das Konzert 1981 erstmals aufgenommen, schon damals formidabel zupackend. An Temperament hat die heute 53-Jährige nichts eingebüßt, doch ist mit den Jahren eine Souveränität dazugekommen, die ihr Spiel zu einem Mirakel an gelassener Perfektion macht, ohne dass sie dem Stück an Ausdruck und Tiefe etwas schuldig bliebe: weder mangelt es dem ersten Satz an Hingabe noch dem Adagio an erhabener Schwermut. Doch sie übertreibt es nicht mit den Rubati, bleibt auf überlegene Art dezent. Stattdessen setzt sie auf die klangliche Exzellenz ihrer „Lord Dunn-Raven“- Stradivari, die im Vergleich mit der dunkler klingenden „Emiliani“, die sie früher spielte, vor allem in hohen Lagen eine unglaubliche Strahlkraft besitzt. Wie Linien aus flüssigem Gold schimmern ihre Kantilenen, irisierend, schwerelos – schönere Töne kann man auf einer Geige schwerlich produzieren, zumal Fabio Luisi mit dem fabelhaft fein spielenden Orchester die Solistin gerade im Adagio sozusagen auf Daunen bettet.
Mit diesem Konzert wurde dann auch an Pathos nachgeliefert, was manche vermutlich beim Auftaktstück, Toru Takemitsus „Nostalghia“ für Violine und Streichorchester vermisst hatten. Die Inspiration für Takemitsus Stück war Andrej Tarkowskis gleichnamiger Film, und dessen Langsamkeit und rätselhafter Ikonografie entspricht die Musik durch immer wieder neu ansetzende, quasi der Stille abgerungene Dialoge zwischen Geige und Orchester, die sich gegen Ende zu einem schmerzerfüllten Cluster verdichten. Ein auratisches Stück, mit dem die Philharmonia Zürich jene Qualitäten andeutete, die sich nach der Pause mit Brahms´ vierter Sinfonie in grandioser Manier bestätigten. Technisch auf höchstem Niveau – berückend die Homogenität der Streicher, die Delikatesse der Holzbläser, das niemals derbe Blech – zeigte das Orchester, welche Spannung ein bekanntes Werk vermitteln kann, wenn es nur derart schlüssig durchgearbeitet ist wie hier von Fabio Luisi und mit entsprechender Emphase umgesetzt wird. Ein würdiger Abschluss der Meisterkonzertreihe. (STZN)

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