Das SWR Symphonieorchester mit Mahler zweiter Sinfonie

14.
Jul.
2017

Dringlicher Tonfall

Dass viele Mitglieder des neuen SWR Symphonieorchesters seltener zum Einsatz kommen als früher liegt daran, dass die Fusion zu Überbesetzungen geführt hat – bis die Sollstärke an Spielern erreicht ist, gilt das Prinzip der Rotation. Dennoch, so dürften die Verantwortlichen beim SWR gedacht haben, wäre es schön, wenn zum Abschluss der ersten Konzertsaison möglichst viele dabei sein könnten – und setzten folgerichtig Mahlers zweite Sinfonie aufs Programm, für die neben einer üppigen Besetzung auch noch ein kleines Fernorchester benötigt wird. Üblicher Konzertroutine entziehen sich Mahlers Sinfonien allerdings nicht nur durch die Zahl der Musiker. Denn Mahler komponierte nicht bloß Musik, sondern Weltentwürfe – insbesondere gilt das für die „Auferstehungssinfonie“, in der die christliche Kernbotschaft eines Lebens nach dem Tod verhandelt wird. Vielen Mahlerfans galt eine Aufführung der Zweiten als Erweckungserlebnis, was freilich nur möglich ist, wenn Dirigent und Musiker den extremen Anforderungen des Werks gerecht werden. Das war am Donnerstag abend im gut gefüllten Beethovensaal der Fall.
Der Dirigent Christoph Eschenbach gab gleich mit dem ersten Einsatz den dringlichen Tonfall vor und machte deutlich, dass hier kein sinfonischer Schönklang gefragt ist. Dabei versuchte er gar nicht erst, das Disparate in Mahler Musik zu glätten (wie es viele Dirigenten tun), sondern ließ die Brüche konsequent ausspielen. Musik als emotionale Grenzerfahrung, bei der Himmel und Hölle, Abgrund und Verklärung ihre klangliche Entsprechung fanden in den spinnwebfeinen Texturen der hohen Streicher wie in den grellen Eruptionen des Blechs. Das Orchester musizierte auf der sprichwörtlichen Stuhlkante – ein überzeugender Saisonabschluss, nicht zuletzt, da mit Christiane Karg (Sopran), Gerhild Romberger (Alt), dem SWR Vokalensemble und dem Chor des Bayerischen Rundfunks auch die Vokalpartien überragend besetzt waren. Allein das grelle Saallicht hätte man etwas dimmen können.

2 Kommentare vorhanden

  • Widmar Puhl
    15. Juli 2017 12:52

    Leider wurde dieses Klassik-Highlight ersäuft in der breiten Berichterstattung über die Stuttgarter Jazz Open. Waren ja nicht gut 20 000, sondern in zwei Konzerten bloß rund 3000 Zuhörer. Guter Journalismus geht halt kaum noch ohne den öffentlich-rechlichen Rundfunk und uns Blogger.

  • Frank Armbruster
    16. Juli 2017 09:48

    Lieber Widmar,

    danke für deinen Kommentar, aber die Rezension wird wohl am Montag erscheinen.

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