„Pornosüchtig“ in der Rosenau

17.
Feb.
2020

Kekse, Milch und Vaseline

„Mal ehrlich“, fragt Boris Rosenberger ins Publikum, „wer schaut regelmäßig Pornos?“ Eine Hand hebt sich zaghaft in der voll besetzten Rosenau. Das, so Rosenberger, sei ja verständlich, vor allem, wenn man mit einem Mädchen da sei, und fordert die Männer auf, ihm im Zustimmungsfall diskret zuzuwinkern – was dann offenbar viele tun. Pornografie, Statistiken belegen es, ist ein Massenphänomen. Mehr als die Hälfte aller männlicher Jugendlichen konsumiert mindestens einmal in der Woche Pornofilme. Sind sie aber damit auch pornosüchtig?
Der 11-jährige Michael ist es auf jeden Fall, seitdem er im Keller die 96 Videokassetten seines Vaters entdeckt hat, der nach der Scheidung ausgezogen ist. In dem Ein-Personen-Stück „Pornosüchtig“, das seit einigen Jahren erfolgreich im Hamburger Schmidt Theater läuft und nun in der Rosenau Premiere hatte, spielt Boris Rosenberger diesen Michael, für den das Pornogucken rasch zu einem Ritual wird. Mit einem Glas Milch, Keksen und Vaseline ausgestattet, setzt er sich nach der Schule vor den Videorekorder und sieht sich Sexfilme an. Stundenlang. Dass dies, vor allem, was sein Verhältnis zu Frauen anbelangt, nicht ohne Folgen bleibt, liegt auf der Hand. Sex, so Michaels feste Überzeugung, kann man jederzeit und mit allen Frauen haben, egal ob es Krankenschwestern, Lehrerinnen oder Bauerntöchter sind. Folgerichtig versucht er als 12-Jähriger, Frau Rodriguez, seine spanische Putzfrau, zu verführen – nach der Methode, die er durch seine Filme gelernt hat. Er räkelt sich entkleidet auf dem Sessel und ruft der staubsaugenden Putzfrau zu, bitte nicht hereinzukommen: „Ich bin nackt!“. In den Pornofilmen, so der permanent die Rolle wechselnde Rosenberger, seien sie die derart gewarnten Damen dann immer eingetreten, mit lustvollen Konsequenzen. Frau Rodriguez aber widersteht den erotischen Avancen des Knaben. Und putzt das Zimmer halt später.
Rosenberger spielt diese Szene zum Schreien komisch, und es gibt viele dieser Art an diesem Abend, dessen Thema zwar ernst ist, bei dem aber – der Titel „Comedy-Show“ unterstreicht es – die Unterhaltung im Vordergrund steht. Zum Beleg seiner These, dass niemand „als Perverser zur Welt kommt“, liefert Rosenberger reichlich Anschauungsmaterial, wobei es der Widerspruch zwischen Pornofiktion und (Beziehungs-)realität ist, aus dem das Stück die meisten Pointen schlägt.
Der gereifte Michael jedenfalls findet, nach einigen missglückten Versuchen, in einer freizügigen Austauschstudentin aus Schweden dann doch noch das geeignete Pendant, um seine aufgestauten Fantasien endlich in die Realität umzusetzen. Dass er dann irgendwann alle Videokassetten wegschmeißt, liegt auch an einer Frau: mit Nuria, die er schließlich heiratet, wird ihm angeblich klar, dass Frauen nicht Sexobjekte, sondern Menschen sind. Dann wird Nuria schwanger, Michael verliert die Lust am Sex und schaut am Ende mit dem Töchterlein Pippi Langstrumpf- Filme. Dass diese überraschende Volte aber vielleicht doch nicht ganz ernst gemeint ist, zeigt der Videonachspann. Tami Erin, die einstige US-Darstellerin von Pippi, hat einen Sexfilm gedreht. Man findet ihn: im Internet.

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