Zirzensisch

05.
Dez.
2021

Beatrice Rana spielte in der Meisterpianisten-Reihe

Ihr großes Vorbild, so bekannte Beatrice Rana einmal, sei früher Martha Argerich gewesen. Und wer Ranas Klavierabend innerhalb der Meisterpianisten-Reihe im Stuttgarter Beethovensaal gehört hat, dem können tatsächlich einige Parallelen zwischen der 28-jährigen Italienerin und der legendären argentinischen Pianistin auffallen. Damit sind nicht Äußerlichkeiten wie der schwarze Haarschopf gemeint, sondern vielmehr eine musikalische Grunddisposition, die sich in einer Unbedingtheit des Ausdruckswillens, gepaart mit feurigem Temperament und einer fast grenzenlos scheinenden pianistischen Brillanz zeigt.
Wie Rana das Klavier beherrscht, zeigte sie gleich zu Beginn in den vier chopinschen Scherzi, die zwar häufig gespielt, in ihrer hybriden Schroffheit aber eher selten wirklich bewältigt werden. Sie bringt hier Extreme zusammen: einen wilden, mitunter in schiere Verzweiflung gipfelnden Furor, bittere Klagen, aber auch zärtliche, Trost spendende Momente größter Versenkung. Pianistisch ist das mit einer Überlegenheit gestaltet, die manchmal kaum zu fassen ist. Noch in den dichtesten Klanggewittern wahrt sie die klangliche Balance, weder geht da etwas in Pedalnebeln verloren noch fällt je eine Stimmführung unter den Tisch.
Noch gesteigert erscheint Ranas pianistische Kompetenz in den nicht zuletzt wegen ihrer Schwierigkeit selten gespielten Etüden von Claude Debussy. Im ersten Heft entwickelt der Komponist aus einzelnen Intervallen und Fingeranlagen Strukturen höchster Komplexität, die Rana in vielfarbig schillernde, fast zirzensisch anmutende Klangabenteuer übersetzt.
Und hätte es noch eines letzten Beweises bedurft, dass Beatrice Rana in die klein besetzte Liga der Supervirtuosen vom Schlage eines Marc-André Hamelin oder Daniil Trifonov zu zählen ist, dann räumte ihre funkensprühende Interpretation der drei strawinskyschen „Petruschka“-Sätze letzte Zweifel aus. Einen Flügel wirklich zum Orchester zu machen und bei den aberwitzigsten Schwierigkeiten den Eindruck größter Leichtigkeit zu wahren, das können nur ganz wenige Pianisten.
Das Publikum im coronabedingt nur spärlich besetzen Beethovensaal gab mit Bravorufen sein Bestes zur Würdigung dieses außergewöhlichen Abends, als Zugabe spielte Rana – Virtuosität war nicht mehr zu steigern – eine äußerst charmante Preziose: Leopold Godowskys Bearbeitung von Saint-Saens´ „Le cygne“.

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