Bruce Liu spielte in der Meisterpianistenreihe

19.
Okt.
2022

Passiert auch nicht allzuoft, dass sich ein Großteil des Publikums am Ende erhebt, um dem Pianisten stehend zu applaudieren – doch so, wie Bruce Liu mit der Klavierfantasie Franz Liszts über Mozarts „Don Giovanni“ am Ende seines offiziellen Programms die Zuhörer fast in einen Taumel gespielt hatte, blieb vielen kaum anderes übrig, als hernach begeistert aufzuspringen. Es war der erste Klavierabend der Meisterpianistenreihe, mit dem der Gewinner des letztjährigen Chopin-Wettbewerbs gleich ein dickes Ausrufezeichen setzte. Chopin war auch die erste Hälfte des Programms gewidmet. Das Rondo à la Mazur op. 5 ist ein selten zu hörendes Stück, eher leichtgewichtig in seiner spielerischen Verarbeitung des Mazurkenrhythmus, aber schon mit jenen typischen melodischen Galanterien durchsetzt, die auch viele von Chopins späteren Werken prägen. Schon hier zeigte sich Lius Gespür für das rechte Maß: alles ist agogisch durchgestaltet, aber niemals auch nur die Grenze des Sentimentalen streifend – ebensowenig wie bei den Variationen über „Là ci darem la mano“ op. 2, einem hochvirtuosen, dezent salonesken Showpiece des jungen Chopin, das Liu die Gelegenheit gab, seine hyperpräzise Klaviertechnik ins rechte Licht zu rücken. Dass die Töne des leichthändig hingeworfenen Skalenwerks dabei eher perlmutt schimmerten als silbrig glänzten, war auch dem Klangcharakter des Fazioliflügels zu verdanken: der mag nicht ganz so dynamisch klingen wie die Konkurrenz von Steinway, ermöglicht dem sensiblen Pianisten aber subtilste klangliche Abschattierungen. Und so ließ Liu die fünf Sätze von Maurice Ravels „Miroirs“ in fast orchestral anmutender Klangpracht entstehen, dabei wie ein Maler die Farbschichten in- und übereinanderlegend – ein Meisterstück musikalischer Charakterisierungskunst und zweifellos der Höhepunkt des Abends. Für die Ovationen bedankte sich der sichtlich gerührte Liu mit vier Zugaben: zweimal Rameau, einmal Chopin, und am Ende, zauberisch leicht, Liszts berühmte La campanella-Etüde. STZ

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