Vorsicht: Mikroaggressionen!

23.
Okt.
2022

Matthias Deutschmann im Renitenztheater

Was jetzt noch Ironie ist, könnte bald Realität werden. Er müsse, so der Kabarettist Matthias Deutschmann im Renitenztheater, vorab eine Triggerwarnung aussprechen: Sein Programm „Mephisto Consulting“ enthalte Mikroaggressionen! Sollten ihm überdies im Laufe des Abends Rastalocken wachsen, könne er für daraus resultierende seelische Verletzungen keine Haftung übernehmen. Selbst Schachspielen sei mittlerweile ein Problem: Weiß beginnt – das gehe doch auch nicht mehr. Und mit schwarz zu spielen – ist das nicht kulturelle Aneignung?
Identitätspolitik und Gendersprache („Minderheiten mit Sternen zu markieren, ist das nicht merkwürdig?“) ist aber nur eines der Felder, auf denen das Urgestein des deutschen Kabaretts seine meist treffsicheren Pointen landen lässt. Sowohl geografisch wie historisch misst Deutschmanns satirischer Rundumschlag dabei weite Distanzen aus. In England herrsche ja seit dem Tod der Queen Chaos, doch was halte uns in Deutschland zusammen? Die Rundfunkgebühr! Und der SWR? Der sei eine Pensionskasse mit Sendelizenz. Das mag man hier ebenso ungern hören wie die Berliner den Vorwurf, sie könnten durch die Wiederholung der Wahl die Koalition im Bund platzen lassen. Man wisse ja, was passiert, wenn die Ampel kaputt ist: „Dann gilt: rechts vor links“.
Und auch wenn Deutschmann, der sich zwischendurch immer wieder, im Übrigen sehr gekonnt, ans Cello setzt, die schnelle Pointe nicht verschmäht (“Alle Silben, die Oettinger verschluckt hat, würgt Kretschmann wieder aus…“), so ist er am brillantesten, wenn er sich den großen Themen widmet. Wie der Frage, warum die Spezies Homo sapiens so erfolgreich ist („Die Geilheit ist die Hintergrundstrahlung der Evolution“) oder jener, welcher der vielen Götter wohl letzlich gewinnen wird. Wobei – die Höllen, hier rekurriert er auf den Titel seines Programms, hätten ihn ja schon immer mehr interessiert als die Himmel. Die evangelische Hölle sei dabei vermutlich angenehmer als die katholische: sie werde nämlich nicht geheizt.

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