Auseinandersetzung mit Tod und Vergänglichkeit

07.
Nov.
2022

Frieder Bernius mit dem Brahms-Requiem im Hegelsaal

Trost kann man gut gebrauchen in diesen Zeiten. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“, singt da der Chor im fünften Satz von Brahms´ „Ein Deutsches Requiem“, und das ist nur eine der vielen Stellen in diesem Werk, die den Hörer tief im Herzen berühren. Berühren können, sollte man vielleicht besser sagen – denn die geniale musikalische Dramaturgie, mit der Brahms hier Texte aus Altem und Neuem Testament zu einer zutiefst humanen Auseinandersetzung mit Tod und Vergänglichkeit verbunden hat, erfordert auch eine adäquate musikalische Umsetzung. Und die war an diesem Sonntagabend auf ideale Weise gegeben.
Frieder Bernius hatte dazu seinen Kammerchor Stuttgart und die Klassische Philharmonie Stuttgart nebst zwei Solisten im zwar nicht ausverkauften, aber doch sehr gut gefüllten Hegelsaal versammelt. Mit Brahms´ Schicksalslied op. 54 hatte Bernius dem Requiem noch ein weniger bekanntes, thematisch passendes Stück vorangestellt, das die Qualitäten seiner Ensembles gleich ins rechte Licht rückte: ein klar fokussierter, klanglich bis ins Detail durchstrukturierter und mit den Orchesterfarben zu einem perfekten Amalgam verbundener Chorklang.
Dem eher resignativen Fazit des auf einen Text von Hölderlin komponierten Schicksalslieds folgte dann mit dem ersten Satz des Requiems die Wendung ins Hoffnungsvolle: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ heißt es da, und von Beginn an nahm Bernius den Hörer gleichsam an die kurze Leine: mitunter ruhig, aber niemals schleppend und durchweg stringent phrasierend formte Bernius die einzelnen Sätze zu einem geschlossenen Ganzen und fand dabei das rechte Maß zwischen romantischem Ausdruck und Bewusstsein für Brahms´ Rückgriff auf alte Formen. Ein gutes Händchen bewies er auch mit der Auswahl der Solisten: Arttu Kataja gestaltete seine Baritonsoli ungemein souverän, und auch Johanna Winkel bewältigte ihre zwar kurze, aber dafür technisch heikle Sopranpartie mit großer Intensität. Ein denkwürdiger Abend.

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