Loderndes Feuer

29.
Nov.
2022

Martha Argerich und Mischa Maisky haben in der Meisterpianistenreihe gespielt

Lange Schlangen vor den Ticketkassen, noch kurz vor Konzertbeginn – das ist eher selten geworden in der Liederhalle. Allerdings war an diesem Abend in der Meisterpianistenreihe auch eine Legende angekündigt: Martha Argerich. Die 81 Jahre alte Argentinierin ist zusammen mit Maurizio Pollini und Daniel Barenboim eine der letzten noch aktiven Vertreterinnen einer großen Pianistengeneration, und, das lässt sich nach diesem Abend konstatieren, wahrscheinlich die pianistisch fitteste von allen. Zwar hatte sie nicht solo gespielt – ihre Vorliebe für Kammermusik ist seit vielen Jahren bekannt – sondern mit dem Cellisten Mischa Maisky einen ihrer langjährigen Weggefährten mitgebracht. Die mitunter fast lakonisch wirkende Leichtigkeit, mit der sie die pianistisch durchaus anspruchsvollen Klavierparts der Sonaten von Beethoven, Debussy und Chopin quasi aus dem Ärmel schüttelte, war dennoch verblüffend. Technisch ist noch alles da: die Flexibilität im Handgelenk, mit der sie rasiermesserscharfe Oktavengänge stanzt, die fabelhafte Anschlagspräzision, und dann dieses stupende Klangbewusstsein, mit dem sie dem Steinway ein Riesenspektrum an Farben entlockt. Getragen ist dies alles von einem im Inneren lodernden Feuer, das allerdings, im Gegensatz zum Temperament von Mischa Maisky, ein eher kühles ist: mögen auch beide im Grunde romantische Musikerseelen sein, so neigt Maisky mit seinem monochrom sonoren, von Dauervibrato energisierten Celloton doch zum expressiven Schwärmen. Leicht könnte er dann seiner Neigung zum Überphrasieren erliegen, der Argerich mit ihrer rhythmischen Klarheit und formalen Stringenz aber erfolgreich entgegenwirkte. Und so ergänzten sich beide formidabel. Beethovens Sonate g-Moll op. 5/2 war von dramatischem Furor belebt, eher romantisch denn klassisch, Debussys Sonate d-Moll durchzogen von atmosphärischem Zauber. Und in Chopins groß angelegter Sonate g-Moll op. 65 waren dann beide in ihrem Element: das altmodische Wort „Grandezza“ fällt einem ein, um diese Mischung aus Souveränität, Eleganz und Leidenschaft zu charakterisieren, die im Finale in einer grandios angelegten Steigerung kulminierte. Als sie dann am Ende händchenhaltend die Ovationen entgegennahmen wirkten sie ein bisschen wie ein altes Ehepaar – das freilich noch genügend Energie für vier Zugaben hatte: Chopins Polonaise brillante op. 3, Brahms´ Lerchengesang, Schumanns Fantasiestück op. 73 No. 1 und Kreislers „Liebesleid“.

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