Nahtloses Zusammenspiel

27.
Jan.
2023

Das Klavierduo Lucas & Arthur Jussen in der Meisterpianistenreihe

Man könnte mal eine Typologie anlegen mit den verschiedenen Arten, wie Pianisten den Weg vom Flügel zu den Saaltüren zurücklegen. Da gibt es einige, die sich, gezeichnet von den gerade durchlittenen Anstrengungen, schwerfällig dem Ausgang entgegenschleppen. Manche begreifen die Distanz als Catwalk, den es mit Grandezza zu durchschreiten gilt, während man bei anderen wiederum den Eindruck hat, dass sie sich am liebsten mehr oder weniger unbemerkt verkrümeln wollen – sie sind ja zum Klavierspielen und nicht zum Schaulaufen gekommen. Ziemlich einzigartig dürfte nun die Manier sein, mit der das Klavierduo Lucas & Arthur Jussen bei ihrem Klavierabend im Stuttgarter Beethovensaal diese Strecke zurückgelegt hat: im Laufschritt nämlich. Als müssten sie hinter der Bühne noch dringend was erledigen, huschten die beiden nach jedem Stück mit einer Leichtfüßigkeit vom Podium, die vergessen ließ, dass sie eben noch auf höchst virtuose Weise Klavier gespielt haben.
Klavierduo ist bekanntlich, dem Punktklang der Instrumente geschuldet, eine heikle Disziplin: in der Regel braucht es lange Jahre gemeinsamer Arbeit, bis alle Asynchronitäten getilgt sind. Diese Qualität des nahtlosen Zusammenspiels erscheint bei den Jussen-Brüdern nun in einer Weise perfektioniert, die ihnen agogische Freiheiten ermöglicht wie man sie ansonsten von Solisten gewohnt ist. Das gilt sowohl für das vierhändige Spiel – wunderbar die atmende Phrasierung in Mendelssohns Andante und Allegro Brillante op. 92 wie auch in Schuberts berühmter Fantasie f-Moll D 940 – als auch für das Spiel an zwei Klavieren, das seinen Höhepunkt an diesem Abend in der atemberaubend hingelegten Klavierbearbeitung von Ravels „La Valse“ erreichte. Das Visionäre, Rauschhafte dieser Walzerapotheose, die in ihrer katastrophalen Zuspitzung gleichzeitig einen Abgesang auf eine Epoche darstellt, realisierten die hochbegabten Brüder derart mitreißend, dass der Wunsch nach Orchesterfarben gar nicht erst aufkam.

Das gilt nun nicht in gleichem Maße für Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ in der zweiten Programmhälfte. Durch die Reduzierung auf zwei Flügel erscheint das ohnehin dominierende rhythmische Element des Werks auf eine den Klangeindruck deutlich nivellierende Weise verstärkt, daran konnte auch die fabelhafte Anschlagstechnik der beiden Pianisten nichts ändern. Die Ovationen waren gleichwohl verdient, eine Zugabe gab´s dann auch: „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ aus BWV 106.

Frank Armbruster

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