Überlegen disponiert
Bachs Messe h-Moll zum Abschluss der Bachwoche Stuttgart
Was den sängerischen und instrumentalen Nachwuchs der Alte-Musik-Szene anbelangt, so braucht man sich keine Sorgen zu machen – davon konnte man sich am Samstagabend im Konzertsaal der Stuttgarter Musikhochschule beim Abschlusskonzert der Bachwoche überzeugen. Knapp zwei Wochen Probenarbeit hatten die Teilnehmer der Ausbildungs- und Meisterklassen hinter sich, um dann als Höhepunkt unter der Leitung von Hans-Christoph Rademanns Bachs h-Moll-Messe aufzuführen. Das Werk, so bekannt und beliebt es sein mag, ist immer noch ein Prüfstein: vor allem für den Chor, der etliche polyphone Vertracktheiten zu bewältigen hat, aber auch für die Vokalsolisten. Was die anbelangt, so konnte Rademann unter den Teilnehmern der Meisterkurse aus dem Vollen schöpfen, waren darunter neben Studenten doch auch einige Sängerinnen und Sänger, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben und bereits im Konzertleben etabliert sind. Dazu zählt etwa die australische Sopranistin Morgan Balfour, die zusammen mit dem lyrischen Tenor Emanuel Tomljenovic ein Traumduo im Domine Deus bildete: zwei wunderbar timbrierte, biegsame Stimmen, die obendrein noch sehr textverständlich agieren. Wenn auch nicht alle hier genannt werden können, so seien seien wenigstens noch der frei ausschwingende Altus von Nicholas Burns sowie der feine Bariton Jared Swope erwähnt – aber auch von vielen der anderen Solisten wird man noch hören.
Den Rückgrat der Aufführung freilich bildete der Chor. Für historische Aufführungspraxis recht groß besetzt, verblüffte er mit großer Beweglichkeit gerade in fugierten Teilen wie dem Kyrie, die klar konturiert und ohne Reibungsverluste gelangen. Dazu verfügte er aber auch über die kompakte Klangfülle für koloraturenreiche Jubelsätze wie Gloria oder Sanctus, die von Rademann energiegeladen und mit bezwingender Dramatik realisiert wurden. Dessen Vertrautheit mit der Partitur – er dirigierte auswendig – war denn auch der Schlüssel zu einer ingesamt fesselnden Aufführung, bei der sich präzises Gestalten im Kleinen in Form einer an der Sprache angelehnten Artikulation mit einer überlegenen Disposition im Großen vereinte.
Und schließlich sollte man auch das erstklassige Orchester mit seinen fabelhaften Solisten nicht vergessen, allen voran der Naturhornist Gustav Borggrefe und die Trompeterin Andrea Braun: auch was die Achillesfersen mancher Barockorchester anbelangt – Grund zur Sorge besteht nicht.
Frank Armbruster
Keine Kommentare vorhanden
Sagen Sie Ihre Meinung, schreiben Sie einen Kommentar!