Kultureller Schmelztiegel

14.
Mai.
2023

Das Babylon Orchestra bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Welche Beziehung haben wir zum Mittelmeer? Für viele Europäer, speziell jene nördlich der Alpen beheimateten, verbinden sich damit Sehnsuchtsorte, Träume von südlicher Sonne und dolce vita. Man kann das Mittelmeer aber auch als transkulturellen Raum zwischen drei Kontinenten betrachten, als einen von Geschichte und Mythen bestimmten kulturellen Schmelztiegel, der neben Wissenschaft und Philosophie auch drei Weltreligionen hervorgebracht hat. Doch ist uns durch die Flüchtlingskrise seit einigen Jahren ins Bewusstsein gerückt, dass das Mittelmeer jene Grenze ist, die Afrika von Europa trennt – und die viele auf der Suche nach einem besseren Leben zu überwinden versuchen.
Auf die damit zusammenhängenden Tragödien, die fast täglichen Berichte über gekenterte Boote und Ertrunkene, bezieht sich auch Mischa Tangian bei der Moderation des Konzerts mit dem Babylon Orchestra in der Ludwigsburger Karlskaserne im Rahmen der Schlossfestspiele. Das Ziel seines 2016 gegründeten Orchesters ist freilich etwas anderes: die Verbindung von nahöstlicher und europäischer Musik, für die das Mittelmeer in seiner geografischen Mittlerrolle exemplarisch steht.

Personell jedenfalls ist die kulturelle Verschmelzung im Babylon Orchestra, das sich in Berlin zusammengefunden hat, schon mal verwirklicht. Musiker aus verschiedenen Nationen wie Iran, Algerien, Griechenland und Deutschland spielen und singen hier zusammen – darunter so ausgewiesene Virtuosen wie der Perkussionist Naghib Shanbehzadeh, der mit seinem Solo das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. Oder der Dudukspieler Deniz Mahir Kartal, der in einem von Mischa Tangian speziell für das Ensemble geschriebenen Werk die Klangmöglichkeiten des aus Armenien stammenden Rohrblattinstruments eindrucksvoll demonstrierte. Von Stücken dieser Art hätte man gerne noch etwas mehr gehört – denn ansonsten bestand der Großteil des Repertoires aus mehr oder weniger schlicht arrangierten Volksliedern und traditioneller Volksmusik aus Ländern wie Griechenland oder der Türkei. Die wurden schön, ja, wunderschön gesungen – aber ein Folkloreabend? Reicht das für ein Konzert im Rahmen eines auf internationalen Anspruch zielenden Festivals? Bräuchte es da nicht irgendeine Form künstlerischer Brechung, Irritation, Innovation, so wie es etwa von der Osttiroler Musikbanda Franui einst im Rahmen der Schlossfestspiele so eindrucksvoll zu erleben war?

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