Ingolf Lücks Soloprogramm im Theaterhaus

12.
Jan.
2020

Nur Wiesen und Nazis

Mit 61, sagt Ingolf Lück, ist man nicht alt. Man ist höchstens Vintage. Und tatsächlich sieht man dem strubbeligen Schlaks in Jeans, Pulli und Turnschuhen nicht unbedingt an, dass er bereits seit über 40 Jahren auf der Bühne steht. Begonnen hatte alles in Bielefeld, wo Lück zu seinen Studentenzeiten als Schauspieler beim Frapp-Theater aufgetreten ist. Sein Durchbruch gelang ihm mit der Rolle des Anchorman in der SAT1-Sendung „Die Wochenshow“, wo er von 1996 bis 2002 zusammen mit Anke Engelke und Bastian Pastewka er das Zeitgeschehen parodierte. Man kann diese Jahre – parallel dazu lief in Pro Sieben Michael Herbigs „Bullyparade“ – als die goldene Ära der Fernsehcomedy bezeichnen. Viele von deren Protagonisten zehren wie Lück bis heute davon, und auch die meisten der Besucher im gut besuchten T2 des Theaterhauses dürften Lück noch aus dieser Zeit kennen – und sich mit angesprochen fühlen, als er auf die Begleiterscheinungen fortschreitenden Alters zu sprechen kommt. Etwa im Restaurant: da könne er jetzt zwischen Senioren- und Pinocchioteller wählen. Und beim Einkauf im REWE nehme ihm die Verkäuferin das Portemonnaie aus der Hand und zähle ihm die Groschen aufs Band. Aber alt? Nein, das ist man erst, „wenn man auf der Straße einem Mädel nachpfeift und die Passanten versuchen, dir die Atemwege freizuräumen.“
Lücks humoristische Methode ist die der gnadenlosen Übertreibung. Das funktioniert vor allem dann, wenn er archetypische Situationen aus dem Leben von Stadtbewohnern zuspitzt. Etwa die Anfrage von Bekannten, ob man nicht beim Umzug „am Sonntagmorgen zwei, drei Kistchen mittragen könne“. Bei 20-Jährigen ohne Kohle, so Lück, habe er dafür Verständnis. Aber bei 40-Jährigen, die einen dicken BMW fahren? „Du gehst arbeiten, bestell´ Dir ein Umzugsunternehmen!“, ruft er, und der brausende Applaus macht klar, dass vielen der Anwesenden die Situation bekannt vorkommt. Dann legt er nach. „Du kommst an, und außer Dir sind da zwei Leute. Der eine hat nur einen Arm, der andere sitzt im Rollstuhl, weil er beim letzten Umzug versucht hat, den Flügel ganz alleine zu tragen. Dann guckst du dich um, und merkst: die haben ja noch gar nichts eingepackt!“
Lustig sind auch Lücks Analysen über die Eigenheiten des männlichen Körpers, speziell dem merkwürdigen Phänomen der Dislokation von Haaren, die von erwünschten Stellen – Schädel – verschwinden, um an weniger erwünschten – Schulter, Ohren – wieder aufzutauchen.
Ob man es dagegen spaßig finden muss, wenn Lück ein Bundesland wie Brandenburg mit „Da gibt es nur Wiesen und Nazis“ tituliert, oder den ehrenwerten Rudi Carrell stellvertretend für die Niederländer als Ursache für den europaweit sinkenden IQ verantwortlich macht? Ein Update würde dem Programm „Sehr erfreut!“, mit dem Lück schon seit letztem Jahr unterwegs ist, ja vielleicht nicht schaden. Denn auch die fidget spinner, die laut Lück „vor 2 Tagen zum Spielzeug des Jahres 2018“ gewählt worden seien, sind schon geraume Zeit nicht mehr angesagt. Oder befolgt Lück hier vielleicht einfach sein dem Zeitgeist widersprechendes Prinzip der„Selbstsuboptimierung“? „Je weniger die Leute glauben, dass man etwas kann, umso geringer sind die Erwartungen an einen“. Hm.

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