Eingeebnet

21.
Nov.
2021

Khatia Buniatishvili spielte im Beethovensaal

Dass die Vermarktungsstrategien der Popmusik auch zunehmend die klassische Musikszene bestimmen, ist seit langem offensichtlich. Nur ein toller Musiker zu sein, reicht in der Regel nicht (mehr): Wer vor allem optisch nicht hinreichend attraktiv ist und auch biografisch wenig medial Verwertbares mitbringt, hat es heute schwer, bei den großen Plattenfirmen unterzukommen.
Die Pianistin Khatia Buniatishvili, Exklusivkünstlerin bei Sony Classical, ist ein Musterbeispiel dafür, wie heutzutage Klassikstars in Szene gesetzt werden. Nun lässt sich weder gegen rote Schmollmünder noch tiefe Ausschnitte etwas sagen, solange die Qualität der künstlerischen Darbietung nicht von Äußerlichkeiten tangiert erscheint. Beim Klavierabend der 34-jährigen Georgierin im Stuttgarter Beethovensaal, einem Nachholtermin vom Mai letzten Jahres, konnte man freilich den Eindruck gewinnen, dass die Ausrichtung auf eine bestimmte Zielgruppe nicht nur programmatische, sondern auch interpretatorische Konsequenzen hat. Pointiert könnte man sagen, dass in ihrem Spiel zwei entgegengesetzte musikalische Ausdrucksbereiche dominieren: ein versunkener, sich in äußerster Subjektivität ergehender Quasi-Seelenton auf der einen und ein entfesselt virtuoses Auftrumpfen auf der anderen Seite. Dazwischen gibt es nicht viel. Manche Stücke, wie Saties somnambul hingetupfte Gymnopédie Nr. 1, vertragen das noch ganz gut. Andere, wie das in Dauerrubati zerfließende Ges-Dur Impromptu Franz Schuberts oder Chopins Mazurka a-Moll op. 17 weniger. Grundsätzlich führt es dazu, dass nicht nur Strukturen, wie in Chopins cis-Moll Scherzo, aber vor allem Stile eingeebnet werden. Auf diese Weise zugerichtet klingt Bach dann kaum anders als Chopin, Couperin oder Liszt, was dem oberflächlichen Feierabendhörer vielleicht schnuppe sein mag, ernsthafte Musikliebhaber aber durchaus erstaunen kann. Das ist umsomehr schade, als Buniatishvili eine außergewöhnliche Pianistin ist, der technisch kaum Grenzen gesetzt sind. Wo, fragt man sich, will sie hin?

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