Beiträge der Kategorie ‘Glossen’

Wolken-Cocktail

01.
Apr.
2009

Geschüttelt, nicht gerührt, so ordert James Bond seinen Martini. Das ist traditionell so seit jenen seligen Zeiten, wo die Kriege noch kalt und die Bräute dafür umso heißer waren. Auf jeden Fall kommt es bei besagtem Getränk entscheidend auf die Mischung zwischen Wodka und Vermouth an – mit der Marke Martini, die Möchtegern-Agenten wie wir gerne konsumieren, hat der Drink sowenig zu tun wie ein Polo mit einem Aston Martin. Es gibt also Dinge, die sich trotz dramatischer Verschiebung der geopolitischen Großwetterlage offenbar niemals ändern. Das ist nicht nur irgendwie tröstlich, sondern damit haben wir auch schon pfeilgenau unser Stichwort angesteuert: Den Wetterbericht.

Es verhielt sich in jenen seligen Zeiten nämlich so, dass man sagte, wenn weder Dauerregen noch ungetrübte Azurbläue anstand, es werde „heiter bis wolkig“. Das verstand ein jeder sofort. Ein paar Wölkchen vielleicht, damit musste man bei dieser Auskunft rechnen, aber die bedrohlichen Tiefs, die blieben da, wo sie hingehörten: in der finsteren Sowjetunion oder meinetwegen auch über Ostberlin, wo sie abregnen konnten, soviel sie wollten und wo auch ein James Bond nur so lange blieb, wie es zu Erledigung seines Auftrags unbedingt nötig war. Ansonsten bevorzugte der bekanntlich wärmere Regionen wie die Cote d´Azur: Da ist es in der Regel sonnig, oder doch zumindest heiter bis wolkig.

Doch nicht nur die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Auch Formulierungen wie „heiter bis wolkig“, die uns in all den Jahren lieb geworden waren, scheinen aus dem Sprachschatz unserer Wetterberichtler getilgt. Heutzutage wollen uns stattdessen fuchtelnde Kommentatoren in schlecht sitzenden Sakkos weismachen, es gebe morgen „einen Mix aus Sonne und Wolken“. Das muss man sich mal wörtlich vorstellen. Vermouth und Wodka lassen sich ja trefflich mixen, aber Sonne und Wolken? Wie soll das gehen? Man nehme 3cl Sonne auf 4cl Wolken, rühre, pardon, schüttle…

Für stilbewusste Nostalgiker ist das fast so schlimm, wie es für James Bond gewesen sein muss, als er in „Golden Eye“ seinen Aston mit einem Z3 des Sponsors BMW tauschen musste. Er hat das zum Glück hinter sich. Uns bleiben bloß Martinis.

(Stuttgarter Zeitung)

Geheimzahl bitte!

01.
Mrz.
2009

Neulich im Restaurant. Der letzte Schluck vom guten Barbera ist weggetrunken, Espresso und Grappa haben ebenfalls noch ihr Plätzchen gefunden. Man winkt dem Ober.

„Zahlen bitte!“ Die Rechnung kommt, man zückt sein Portemonnaie und legt zur Begleichung der Schuld locker eins der bunten Plastikkärtchen aufs Tablett. Die Bedienung dankt und entfernt sich. Und kehrt kurz darauf zurück. Ein ernster Blick. Räuspern.

„Die nehmen wir nicht!“

Die Gespräche am Nachbartisch verstummen. Fremde Blicke mustern uns diskret. „Aber an der Tür steht doch…“ will man schon protestieren, betrachtet aber zuvor noch einmal das beanstandete Objekt. AOK – ihre Gesundheitskasse. „Ach so, ja, Entschuldigung…“

Man muss aber auch verflixt aufpassen. Schließlich sehen die Dinger alle irgendwie ähnlich aus. Und die für die Plastikformate vorgesehenen Fächlein in der Brieftasche müssten eigentlich schon längst wegen Überbelegung vor weiterem Zuwachs geschützt werden. Doch doch von wem?

Mit Kreditinstituten hatte es einmal ganz harmlos angefangen. Wie war man entzückt, als man zum ersten Mal Bares aus einem Automaten zog. Wie fortschrittlich und bequem! Auch die erste Telefonkarte begrüßte man noch freundlich. Doch dann: Telefonkarten, Büchereiausweise, VVS-Jahreskarte, Versicherungskarten, Kundenkarten, Kantinenkarten. Alles musste plötzlich maschinenlesbar sein. Dazu kommen jetzt noch diverse wechselnde Tagesgäste von Parkhäusern, Schwimmbädern oder anderen Institutionen, die sich ebenfalls in der Geldbörse breitzumachen pflegen.

Doch das schlimmste sind die Geheimzahlen. Schon ein Tankstopp kann da ein nervenaufreibendes Unterfangen werden. Da steht man dann an der Kasse, steckt das Kärtchen ins Lesegerät und gibt mutig seine Zahl ein. „Geheimzahl falsch“ meldet trocken das Display. Da fällt´s einem wieder ein. Siedendheiß. Kam nicht kürzlich ein Brief von der Hausbank mit dem Hinweis, dass sich aus technischen Gründen mit der neuen EC-Karte auch die Geheimzahl geändert habe? Wer dann seine Schuld nicht mit Barem begleichen kann, kann nur auf die Milde des Tankwarts hoffen. Oder seine teure Schweizer Uhr als Pfand hinterlegen. Und wenn man gar keine teure Uhr besitzt, vielleicht noch nicht eimal eine Schweizer?

Auch dann gibt es gibt eine Lösung: Verschlüsselungen.

Das ist dann ganz einfach. Also zum Beispiel: Die Geheimzahl minus des Datums seines Hochzeitstages auf der Karte notieren. 3498 minus den vierundzwanzigsten Juni macht….acht minus sechs behalte null… Oder war das plus der Jahreszahl? Oder geteilt durch den Geburtstag der Schwägerin? Geheimzahl bitte!

(Stuttgarter Zeitung)