Ivo Pogorelich spielte mit den Stuttgarter Philharmonikern

27.
Nov.
2013

Kampf mit Chopin

IvoPogorelich5Eine Zugabe gibt er nicht, da mag das Publikum im ausverkauften Beethovensaal noch so lautstark applaudieren. Allenfalls zu einer weiteren, allerletzten Verbeugung kann sich Ivo Pogorelich durchringen, und auch dieser Auftritt scheint schon an die Grenze seiner Kräfte zu gehen: betont langsam trottet er an den Bühnenrand und blickt noch einige Male scheu in den Saal. Die Botschaft ist deutlich: Er mag nicht mehr.
Und das kann man gut nachvollziehen. Denn abgesehen davon, dass man gute Gründe haben kann, die üblichen Zugabenrituale kritisch zu sehen, scheint das Konzertieren für Ivo Pogorelich in zunehmendem Maße eine existenzielle, ihn bis an die Grenzen fordernde Anstrengung zu sein. Die Anspannung, unter der der 55-jährige mit dem Mönchshaarschnitt beim Spielen steht, ist förmlich mit Händen zu greifen: immer wieder presst er die  Lippen aufeinander,  greift nervös an die Verstellknöpfe seines Stuhls. Da kämpft einer mit sich und der Musik.
Nun galt Pogorelich schon immer als Exzentriker, der im Zweifel Ausdruck über Treue zum Notentext stellte. Schon bei seinem Auftritt vor zwei Jahren mit den Stuttgarter Philharmonikern, als er das erste Klavierkonzert spielte, hatte der damalige Chefdirigent Gabriel Feltz alle Hände voll zu tun, dass das Orchester angesichts der agogischen Eigenwilligkeiten des Solisten nicht aus der Spur getragen wurde. Das war nun beim zweiten Klavierkonzert f-Moll nicht anders, das der Franzose Olivier Tardy anstelle des erkrankten Vladimir Fedoseyev leitete: er musste mächtig auf der Hut sein, wenn Pogorelich mal wieder ein Ritardando bis an die Grenze zum Stillstand dehnte. Meistens ging das gut.
Nun zählt Chopin schon immer zu Pogorelichs Lieblingskomponisten. Viele seiner Aufnahmen sind legendär – nicht zuletzt, weil Pogorelich in Chopins Werken mitunter eine verstörende Tiefenschicht weitab von salonesker Eleganz freilegte. Auch das zweite Klavierkonzert spielte Pogorelich nun mit einer fast manisch-depressiven Grundhaltung: mit hart einschlagenden Akkorden und einem meist rauen, manchmal gläsernen, aber kaum singenden Klang, dem jede Espressivosüße ausgetrieben war. In seiner Konsequenz hatte das durchaus etwas Überzeugendes, wobei man sich fragen kann, ob gerade dieses Klavierkonzert einen solchen Interpretationsansatz wirklich durchgehend trägt: der dritte Satz wirkte in seiner Emphase doch sehr gebremst.
Nach der Pause dann Schuberts große C-Dur-Sinfonie. Olivier Tardy tat sein Möglichstes, um die Längen dieser Sinfonie, ihre wechselnden Haltungen herauszuarbeiten und zu strukturieren. Doch mehr als ein Versuch war es nicht – vor allem der diffuse, kaum differenzierte Gesamtklang mit  denn dominanten und matt klingenden Streichern stand einer überzeugenden Interpretation im Wege. Der neue Chefdirigent hat da noch einiges zu tun. (StZ)

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