Tim Fischer im Theaterhaus

05.
Dez.
2019

Man erkennt den Song nicht gleich. Denn erst mal rockt die vierköpfige Band rustikal los, im Rammsteinmodus sozusagen, während Nebelschwaden hereinwabern. Dann taucht Tim Fischer auf und beginnt zu singen: „Zu Asche, zu Staub, dem Licht geraubt, doch noch nicht jetzt…“ – und der Groschen fällt. Es ist der Hit aus der Serie „Babylon Berlin“, im Tanzcafé „Moka Efti“ singt ihn eine im Marlene-Dietrich-Look gekleidete Sängerin, die am Ende in einer Explosionswolke verschwindet. Doch Tim Fischer, der in der Serie den Barbesitzer Ilja Tretschkow spielt, bleibt da. Und das noch ziemlich lange. Erst kurz vor 23 Uhr verlässt er die Bühne des T2 im Theaterhaus, begleitet von Ovationen des Publikums. Fischer, 46 Jahre alt, hat an diesem Abend gezeigt, warum er seit 30 Jahren zu den erfolgreichsten Chansonniers in Deutschland gehört.
Das Programm für seine Jubiläumstournee stammt von seinem aktuellen Doppelalbum „Zeitlos“, einer stilistisch weit gefächerten Mischung aus Pop, Schlager, Moritaten und klassischen Chansons. Doch gerade diese Vielseitigkeit zählt zu den Qualitäten von Tim Fischer, der seinen Durchbruch als 18-Jähriger (!) mit einer Zarah Leander-Hommage hatte und schon immer ein Meister der musikalischen Anverwandlung war. Auch heute noch kennt er kaum Berührungsängste. Paolas Schlager „Ich hab ins Paradies gesehen“ wäre auch in Dieter Thomas Kuhn-Manier ironisiert eine ziemlich sichere Nummer, doch Fischer nimmt den Text ernst: „Weißt du, was die sogenannte Freiheit ist? Sie ist eine Lüge, der Versuch, die innere Leere zu vergessen“ heißt es darin, und Fischer, der bittere Jahre mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit hinter sich hat, weiß, was das bedeutet.
In der Pause tauscht Fischer den Glitzerfrack gegen Lederhose und Netzhemd, und der Abend gewinnt, gestützt von der exzellenten Band um seinen langjährigen Weggefährten Rainer Bielfeldt, an Fahrt. In „Maulende Rentner“ macht er sich über Senioren lustig, die sich in fremden Ländern über tropfende Hotelwasserhähne beschweren, „Beide Dase däuft“ ist ein Kabinettstück absurder Komik, und in „Hauptbahnhof“ nimmt er gleich das ganze Chansongenre auf die Schippe. Zum grandiosen Finale, Ludwig Hirschs Klassiker „Komm, großer schwarzer Vogel“ trägt Fischer ein schwarzes Federkleid. Allein auf die Tanzeinlagen mit seinem Bühnenboy hätte man wohl verzichten können, sind die doch kaum mehr als Dekoration. Und die hat Tim Fischer nicht nötig.

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