Die Gaechinger Cantorey mit Werken von Mozart

24.
Feb.
2020

Kalkuliert wirkungsvoll

Einen wirkungsvolleren Auftritt kann man einer Sopranistin kaum bereiten, als ihn Mozart im Kyrie seiner Messe c-Moll komponiert hat. Nach dem dramatisch-erdverbundenen Beginn weitet sich der Klangraum nach oben in ein sphärenhaftes Es-Dur, eine absteigende Violinlinie leitet den Einsatz der Solostimme ein, die sich hernach über einer schlichten Streicherbegleitung strahlend exponieren darf. Ein Gänsehautmoment – sofern alles gutgeht. Und das tat es am Sonntagabend beim Konzert der Gaechinger Cantorey unter Hans-Christoph Rademann, wo die famose Sopranistin Sarah Wegener (nicht nur) diesen Satz mit ihrem golden schimmernden Sopran adelte.
Mozart freilich hat diese Stelle vermutlich nicht ohne Kalkül derart wirkungsvoll gestaltet. Denn bei der Uraufführung der Messe in der Salzburger Kirche St. Peter war es seine frisch angetraute Gattin Konstanze, die diesen Sopranpart sang – und sich damit möglicherweise zum ersten Mal überhaupt Mozarts Familie einschließlich Vater Leopold zeigte, der sich lange Zeit gegen die Ehe mit Konstanze gesträubt hatte. Erst am Tag nach der Hochzeit war die Einwilligung des Vaters eingetroffen. Mozart zeigte sich erleichtert. „Und ich wette“, schrieb er an Leopold, „Sie werden sich meines Glückes erfreuen, wenn Sie sie werden kennengelernt haben“. Ob Konstanzes Auftritt die gewünschte Wirkung hatte, ist ungewiss. Mozarts Schwester Nannerl, die ebenfalls wenig von ihrer Schwägerin hielt, bleibt darüber in ihren Briefen einsilbig.
Und wenn fraglich ist, ob Mozart komplexe Fugen wie das „Cum sancto spirito“ auch wegen Konstanzes Fugenbegeisterung komponiert hat – derart rhythmisch beweglich und durchhörbar wie nun im Beethovensaal wurde das damals mit größter Wahrscheinlichkeit nicht gesungen. Die Vertrautheit von Rademann und der Gaechinger Cantorey mit historischer Aufführungspraxis kam bei diesem, von barocken Elementen stark geprägten Werk großartig zur Geltung. Und da man mit Ulrike Mayer, die kurzfristig für die erkrankte Sophie Harmsen eingesprungen war, nebst den beiden wenig beschäftigten, gleichwohl tadellos singenden Herren (Patrick Grahl und Kresimir Strazanac) einen ebenso geschmeidig-koloraturenversierten zweiten Sopran zur Verfügung hatte, geriet diese Aufführung insgesamt glanzvoll – ja, referenzverdächtig.
Auf ähnlichem Niveau nach der Pause Mozarts „Jupiter“-Sinfonie: tänzerisch, schwungvoll, elastisch-federnd. So soll es sein.

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