Khatia Buniatishvili spielte in Stuttgart

31.
Mrz.
2023

Einen größeren Kontrast als zum vorherigen Konzert der Meisterpianistenreihe kann es kaum geben: nach dem Solitär Sokolov, der sich allem Äußerlichen verweigert, kaum Aufnahmen autorisiert und praktisch keine Interviews gibt, trat mit Khatia Buniatishvili nun eine Künstlerin auf, die wie kaum eine andere Pianistin multimedial vermarktet wird. Dass dabei auch bewusst ihr Äußeres in Szene gesetzt wird – Stichwort lasziver Vamp – gehört mit zum Konzept dazu. Beide, Sokolov wie Buniatishvili jedenfalls, haben ihr Publikum. Und beide können herausragend Klavier spielen. Wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise.
Zum Glück, so sagte die Georgierin in einem Interview, habe sie einen Beruf, in dem es nicht darum gehe, besser, sondern anders zu sein als andere. Das nun könnte als Leitschnur für viele ihrer Interpretationen gelten – ihre Lesart etwa von Schuberts B-Dur-Sonate D960 dürfte ziemlich einzigartig sein. Zwar mag es auch andere Pianisten geben, die sich Freiheiten in der Tempogestaltung erlauben. Aber die Manier, mit der sie, ohne fühlbares Metrum in geradezu quälender Langsamkeit das Andante sostenuto heruntertupft, darf schon als exzentrisch gelten. Zwar gibt es innerhalb der vier Sätze auch immer wieder berückend schön gespielte Stellen – aber der dramaturgische Bogen von Schuberts Sonatenvermächtnis bleibt genauso verborgen wie sein resigniert-katastrophischer Subtext.
In Schuberts Impromptu Ges-Dur dagegen kommt sie ohne solche Manierismen aus. Pianistisch erlesen schichtet sie hier die Texturen zugunsten eines Cantabiles der Oberstimme, das sich wie ein liedhafter Gesang über die Harmonien legt. Die kleinen dramatischen Ausbrüche des Stücks pflügt sie weitgehend unter, betont dafür seinen lyrischen Grundcharakter. Kann man so machen.
Am überzeugendsten ist Buniatishvili freilich, wenn sie ihre Virtuosität beweisen kann. Denn technische Hürden braucht sie keine zu fürchten: ihre auratische Version von Liszts Schubert-Bearbeitung des „Ständchen“ beweist dies ebenso eindrucksvoll wie Liszts furios hingelegte Ungarische Rhapsodie Nr. 2 cis-Moll, mit der sie das Publikum im gut gefüllten Saal zu Ovationen hinreißt, die sich nach jeder Zugabe weiter steigern: zunächst ein Satz aus einem bachschen Klavierkonzert, dann das Precipitato aus Prokofjews siebter Sonate und schließlich ihre Bearbeitung von Serge Gainsbourgs „La javanaise“ aus ihrem Album „Labyrinth“.

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