Räumt den Müll weg

17.
Jun.
2023

„Die Schöpfung – Erde an Zukunft“ als Eröffnungskonzert des Musikfests 2023

Wieviele Personen passen auf die Bühne des Hegelsaals? 100? 200? Deutlich mehr, nämlich an die 350 dürften es nun beim Eröffnungskonzert des Musikfests 2023 gewesen sein, der überwiegende Teil davon Kinder. Die hatten sich dicht an dicht zwischen Chor und Orchester der Gaechinger Cantorey gezwängt, um ihren Part von „Die Schöpfung – Erde an Zukunft“ zu singen, einem Projekt, das die Bachakademie schon 2022 sechsmal aufgeführt hat. Bei jedem Konzert waren andere Schulen beteiligt, was jedesmal aufs Neue intensive Probenarbeit bedeutete. Diesmal waren es neun Schulen aus dem Großraum Stuttgart vom Strohgäu bis nach Korntal, in denen zunächst vor Ort geprobt wurde, ehe die gesamte Schar von Sabine Layer zu einem Kollektiv zusammengeschweißt wurde. Einfach zu singen ist das nämlich keineswegs: Karsten Gundermann hat Elemente aus Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ mit selbst komponierten Teilen zu einem knapp 75-minütigen Werk kombiniert und dabei dem Kinderchor eine zentrale Rolle zugewiesen. Wichtig vor allem, damit der musikalische Fluss nicht ins Stocken gerät, sind dabei die nahtlosen Übergänge zwischen Solisten, Profi- und Kinderchor. Und die gelangen vorbildlich.
Nun erzählt Haydns Werk die Schöpfungsgeschichte aus biblischer Sicht, und das in sehr gespreiztem Sprachduktus. Da „beut die Flur das frische Grün dem Auge zur Ergötzung dar“, heißt es da etwa, und man könnte durchaus fragen, ob Kinder diese Ausdrucksweise verstehen, zumal die historische Perspektive durch die Erweiterung um einen zeitgenössisch formulierten, dezidiert zivilisationskritischen dritten Teil nivelliert wird: „Wenn ich all meinen Müll besehe, schäm ich mich, dass ich hier stehe“, singt die Erderstbewohnerin Eva im Finale, nachdem Astronaut Ulf Merbold in einem eingespielten Text zuvor die ethische Pflicht beschworen hat, die Erde in intaktem Zustand zu hinterlassen.
Auch musikalisch bedeutet der Wechsel von Haydns klassischem Stil in ein musicalähnlich synkopiertes Genre einen Bruch, der sich auch durch ein Keyboard als Rezitativbegleitung nicht kitten lässt. Vielleicht weist das aber auch auf ein Manko der zeitgenössischen E-Musik hin. Warum gibt es offenbar kein Werk, das generationenübergreifend eine solche Thematik behandelt und dabei weder anbiedernd noch elitär daherkommt? Die Begeisterung über diese gelungene, am Ende bejubelte Aufführung soll diese Überlegung nicht schmälern.

Keine Kommentare vorhanden

Sagen Sie Ihre Meinung, schreiben Sie einen Kommentar!

Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen und bin damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten, mit dem Absenden dieses Onlineformulars, zweckgebunden zum Kommentieren elektronisch erhoben und gespeichert werden.