Das Staatsorchester Stuttgart begeistert mit Bartók und Mahler
Musik als Liebeserklärung, das gibt es öfters in der klassischen Musik. Der 74-jährige Janáček etwa komponierte sein zweites Streichquartett „Intime Briefe“ als Liebesgeständnis an die 36jährige Kamila Stöslová. Die Liebe wurde nicht erwidert, das Begehren blieb und war Janáček eine lange währende Inspiration. Auch Béla Bartók war in die sieben Jahre jüngere, genial begabte Geigerin Stefi Geyer verliebt, der er 26-jährig sein erstes Violinkonzert widmete. „Aus dem Herzen heraus“, so Bartók, habe er das Werk geschrieben. Und das hört man. Ein kaum verhaltenes Schwärmen prägt den ersten Satz, in dem die Solovioline sich immer wieder zu süßen Kantilenen aufschwingt, und Christian Tetzlaff spielt das betörend schön, fein balancierend auf dem Grat zwischen Überschwang und latenter Bitterkeit, der vielleicht schon die Ahnung eingeschrieben ist, dass es nichts werden könnte mit dem Liebesglück. Im zweiten Satz des musikalischen Porträts demonstriert Tetzlaff weitere Facetten seines geigerischen Könnens: „Giocoso“, spielerisch, bewältigt er der Vortragsanweisung gemäß die techischen Vertracktheiten, mit denen Bartók Stefi Geyers extrovertierte Seite zeigen will. Cornelius Meister am Pult des Staatsorchesters ist ihm dabei ein Bruder im Geiste, der die Ausschläge in Bartóks Liebesdrama mit dem bestens disponierten Staatsorchester in seelischem Gleichklang mit dem Solisten nachzeichnet.
Ein Erlebnis, das nach der Pause noch einmal übertroffen wird von einer, ja, triumphalen Interpretation von Mahler monumentaler 5. Sinfonie. Der Stuttgarter GMD Cornelius Meister hat sich zu einem genuinen Mahlerdirigenten entwickelt, dem es auf überwältigende Weise gelingt, unterschiedliche Qualitäten zu bündeln. Meister lässt die Extreme dieser Musik, ihre elementare Wucht und Maßlosigkeit, aber auch ihre herzzerreißende Klage und spirituelle Hoffnung vorbehaltlos ausspielen, beweist aber auch Sinn für die Zwischentöne, für das Uneindeutige und Tastende und behält dabei die Dramaturgie des Satzganzen immer im Blick. Nach drei Sätzen ist man da als Hörer emotional derart durchgerüttelt, dass das traumverlorene Adagietto wie Balsam auf die Seele wirkt, ehe sich das Finale in einer gewaltigen Kulmination aller Kräfte entlädt. Das Staatsorchester spielt das wie entfesselt, am Ende gibt es Ovationen. Ein Ereignis. Wer es nicht hören konnte: am Montagabend wird das Konzert wiederholt.
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