Große Klavierkunst

22.
Okt.
2023

Beatrice Rana eröffnete die Meisterpianistenreihe im Beethovensaal


Es sind gleich zwei Reisen, auf die uns Beatrice Rana bei ihrem Klavierrecital im Beethovensaal mitnimmt. Die erste beginnt mit dem Fiebertraum von Alexander Skrjabins Fantasie h-Moll. Aus dessen rauschhaftem Taumel erwacht, taucht man mit Mario Castelnuovo-Tedescos Cipressi op. 17 ein in die kontemplative Beschwörung einer toskanischen Landschaft. Obwohl Castelnuovo-Tedesco, der selbst in der Toskana aufgewachsen ist und vor den Faschisten in die USA emigrierte, bereits in diesem Frühwerk sein ungeheures kompositorisches Talent zeigt, wird er bis heute – möglicherweise liegt es an seiner vergleichsweise konventionellen Tonsprache – nicht unter den großen Komponisten des 20. Jahrhunderts geführt. Beatrice Rana jedenfalls widmet sich seiner Preziose mit derselben Sorgfalt, mit der sie anschließend Claude Debussys Prélude „La terrasse des audiences du clair de lune“ als klangliche Phantasmagorie erstehen lässt. Berückend, mit welcher Gestaltungskraft sie die Farbvaleurs der Mixturklänge als klangliche Entsprechung des einfallenden Mondlichts zeichnet und dabei, bei aller pianistischen Definition, nicht den Charakter des skizzenhaft Vagen verliert.
Das Tosen des Ostwindes in „Ce qu’a vu le vent d’ouest“ aus dem ersten Band von Debussy Préludes schließlich führt, pianistisch fulminant realisiert, das konzertante Boot auf die sagenumwobene Insel Kythera. Das dortige glückhaft unbeschwerte Leben beschreibt Debussy in „L´Isle Joyeuse“, einem seiner pianistisch anspruchsvollsten Klavierwerke, das Beatrice Rana mittels einer schier unerschöpflichen Skala dynamischer Abtönungen in Klang setzt.
Nach dem Pausen-Intermezzo bildet Franz Liszts Sonate h-Moll, die Tonart schließt den Bogen zum ersten Stück des Programms, die zweite, diesmal nicht deskriptive Reise. Nicht selten wird das Stück – Oktavkaskaden und Donnerpassagen führen leicht auf diese Fährte – als Virtuosenreißer missbraucht. Beatrice Rana freilich zeigt Liszts opus summum als Meisterstück dramaturgischer Durchformung. Wie sie aus dem musikalischen Material die Struktur des Werkes aufbaut, mit ständig steigender Innenspannung und grenzenlos scheinenden technischen Reserven dessen dramatisch-epische Kräfte bis zur Apotheose verdichtet, das ist ganz große Klavierkunst.
Bravi anschließend im schwach besetzen Saal und zwei Zugaben: Skrjabins Etüde cis-Moll op.2 und Debussy Etude No. 6 „Pour les huits doigts“.

Keine Kommentare vorhanden

Sagen Sie Ihre Meinung, schreiben Sie einen Kommentar!

Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen und bin damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten, mit dem Absenden dieses Onlineformulars, zweckgebunden zum Kommentieren elektronisch erhoben und gespeichert werden.