Arcadi Volodos spielte in Stuttgart

17.
Dez.
2023

Als neuer Supervirtuose wurde Arcadi Volodos gehandelt, nachdem er 1997 auf seinem ersten Album seine zirzenischen Fähigkeiten eindrucksvoll demonstriert hatte. Dass er pianistisch nach wie vor in die alleroberste Liga gehört, dabei aber weit mehr zu bieten hat als bloße Tastenartistik, zeigte der mittlerweile 51-Jährige nun bei seinem Recital im Rahmen der Meisterpianistenreihe.
Zu Beginn lässt Volodos das Licht im Saal dimmen – hier gilt´s allein dem Klang, und nicht nur diese Angewohnheit teilt er mit seinem berühmten Kollegen Grigory Sokolov. Auch dem sind die Äußerlichkeiten des Musikbetriebs ein Gräuel. Anstatt als Solisten mit Orchestern durch die Welt zu jetten, konzentrieren sich beide lieber auf dramaturgisch stimmige Soloprogramme, mit denen sie auf Tour gehen.
Die erste Programmhälfte war Alexander Skrjabin gewidmet. Beginnend mit zwei Etüden aus op. 8 spielte Volodos die 10. Sonate, dazu eine Auswahl aus Préludes, Etüden und Poèmes, innerhalb der die Entwicklung von Skrjabins Klangsprache von einer post-chopinesken Melancholie zu einer Form und Tonalität sprengenden Radikalität deutlich wurde. Skrjabins Ziel war Ekstase als Zeit und Raum transzendierende Erfahrung, und in keinem Klavierstück ist er diesem Zustand näher gekommen als in „Vers la flamme“, mit dem Volodos den ersten Teil fulminant beschließt. Aus dem Glutkern eines sinistren Motivs heraus verdichten sich züngelnde Flammen, die sich am Ende zu einer alles verzehrenden Feuersbrunst auftürmen. Pianistisch ist das mit einer Souveränität gestaltet, die sprachlos macht. Manuelle Schwierigkeiten, die es hier zuhauf gibt, scheinen für Volodos nicht zu existieren. Seismografisch ausdifferenziert erscheint das Spektrum seiner Anschlagskunst, unerschöpflich das Repertoire an Farben, die er dem Steinway entlockt.

Nach der Pause Schubert, die späte Sonate a-Moll D 845, und wer sich zuvor gefragt hat, was dieser mit Skrjabin zu tun hat, bekommt von Volodos eine Antwort: selten wurden Schuberts Außenseitertum und sein Ringen mit der Form derart plastisch dargestellt. Im Kontext von Skrjabins Exzentrik erscheint Schuberts Komponieren als verzweifelte Suche nach Neukonzeption, als Aufbäumen gegen den Verlust von Gewissheiten. Das Publikum, leider nicht sehr zahlreich, begriff den Rang dieses Abends und applaudierte im Stehen. Vier Zugaben: zwei Miniaturen von Schubert und Skrjabin, gefolgt von einer funkensprühenden Malaguena Ernesto Lecuonas. Am Ende „El lago“ von Federico Mompou. Und still ruhte der See.

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