Beiträge der Kategorie ‘Komik und Kabarett’

Max Goldt liest im Theaterhaus Stuttgart

04.
Feb.
2013

Empfindlicher Einmischer

Dann wollen wir mal abwarten, ob er recht hat – falls wir dann noch leben. In zwanzig Jahren, so prophezeite Max Goldt bei seiner Lesung im voll besetzten T2 des Theaterhauses, werde sie nämlich verschwunden sein, die Jeans. Und über ihn, also Goldt, würde man dann sagen: der hat´s gewusst! Goldt, der selber in dunkler Stoffhose, mit weißem, offenem Hemd und Jackett auf die Bühne kommt, mag also keine Jeans – vor allem dann nicht, wenn sie ausgebeult sind, was man ja durchaus verstehen kann. Wie Goldt überhaupt vieles nicht mag: Weinconnaisseure, Frauen mit Jennifer-Aniston-Frisuren, Menschen mit Sonnenbrillen, die auch noch schlechte Zähne haben. Besonders aufregen kann er sich aber über Winters im Freien rauchende, vor Kälte bibbernde Frauen. Dieses Verhalten nämlich, so Goldt, sei der eigentliche Grund dafür, dass diese Frauen keine Karriere machten – schließlich sehe man niemals im Freien rauchende Chefinnen, und bibbernde schon gar nicht. Ob das wirklich stimmt?

Ungefähr im Jahresabstand bringt Max Goldt ein frisches Bändchen mit kulturkritischen Betrachtungen heraus: „Die Chefin verzichtet“ heißt das aktuelle, aus dem er im Theaterhaus vorwiegend liest. Unter den Texten ist auch ein kurzer, böser über jene Person, die Goldt offenbar am allerwenigsten mag: Günter Grass. Dem sei er schon mehrmals im ICE zwischen Hamburg und Berlin begegnet, und er sehe genauso aus wie auf den Fotos, wenn er mal wieder eine „Einmischung“ vollbracht habe – ein „one face guy“, grantig und selbstgerecht. Überhaupt sei Grass einer der schamlosesten Menschen, die jemals gelebt haben – außer für die Leser der ZEIT, für die sei er ein Idol. Diese im Allgemeinen wohlangesehene Wochenzeitung beschimpft er als „indezenten Papierhaufen“, und spätestens an dieser Stelle kommt man ins Grübeln. Denn ist nicht auch Max Goldt ein berufsmäßiger Einmischer, der sich in seinen Texten über allerlei Missstände unserer Gesellschaft echauffiert – angefangen von inkompetenten Hotelangestellten über verwechselbare Talkshowformate bis zu jener sprachlichen Verwahrlosung, die er überall aufstöbert? Freilich finden Grass´ „Einmischungen“ ein weitaus größeres publizistisches Echo. Ob das Goldts völlig unangemessene Wut auf den Schriftsteller zumindest teilweise erklärt? Und vielleicht hängt ja auch die Herabsetzung der ZEIT damit zusammen, dass dieser „Papierhaufen“, immerhin eine journalistische Instanz des Bildungsbürgertums, gerade ihm, dem Essayisten, Kultur- und Sprachkritiker Goldt kein Forum bietet. Selbst wenn immer mal wieder im Zeitmagazin „Katz und Goldt“-Comics erscheinen.

Aus Sicht der ZEIT könnte man das durchaus nachvollziehen. Zugegeben, manche von Goldts Sottisen über weibliche Kreischstimmen, ungezogene Jugendliche und charmefreie Zeitgenossen sind treffend. Aber man kann seine verzwirbelte, gespreizte Sprache und die sich in Abschweifungen verlierenden Sentenzen auch nervig finden – spezielle jene altstudienrathaften, gestelzten Formulierungen, die an Loriot erinnern. Was bei diesem sprachlicher Ausdruck einer konzisen ironischen Haltung ist, wird bei Goldt durch eine latente Dauerflapsigkeit konterkariert, die das Ganze leicht etwas schwurbelig erscheinen lässt.

Als Vorleser beginnt Max Goldt zunächst eher zurückhaltend. Nach der Pause, als auch das Publikum allmählich auftaut, kommt er aber mehr und mehr in Fahrt, moduliert seinen Tonfall stärker und unterstreicht die Pointen – so es sie gibt. Denn, auch das kann man beklagen: viele seiner Texte haben keinen zündenden Schluss, versanden einfach. Harald Martenstein oder Harry Rowohlt machen das besser. Vielleicht schreiben sie deshalb auch für die ZEIT. (StZ)

Bülent Ceylan in der Schleyerhalle Stuttgart

09.
Dez.
2012

„Ich bin ein Kanack“

Der Abend beginnt wie ein Rockkonzert. Die Bühnenscheinwerfer kreisen, „Salt Sweet Sugar“ von Jimmy Eat World dröhnt ohrenbetäubend aus den Boxen, Feuerfontänen schießen in die Luft. Dann entert Bülent Ceylan die Bühne. Der 36-jährige Mannheimer ist bekennender Metal-Fan. 2010 durfte er als erster Komiker überhaupt auf dem Metal-Festival Summer Breeze auftreten, und auch während seines zweieinhalbstündigen Programms an diesem Freitagabend macht er aus seiner Affinität zur Headbangerfraktion kein Hehl. Ausverkauft ist die Stuttgarter Schleyerhalle, am nächsten Abend gleich nochmal, das sind insgesamt 24 000 Zuschauer. Rund zwölf Auftritte hat Ceylan mit seiner „Wilde Kreatürken“-Show im Monat, von Passau bis Flensburg füllt er die größten Hallen. Dass der Mann derart angesagt ist, dürfte vor allem an seiner Medienpräsenz liegen: auf RTL lief schon die dritte Staffel der Bülent Ceylan-Show, dazu kommen regelmäßige Gastauftritte bei Comedy-Kollegen. Ähnlich populär ist nur noch Zotenkönig Mario Barth.

Eine halbe Stunde macht er Stand-up-Comedy mit dem Publikum, die allerdings ziemlich einstudiert wirkt. Für die Mehrzahl seiner Gags bedient sich Bülent Ceylan aus zwei Schubladen. In der ersten lagern Ethnoklischees. Auch ganz gut abgehangene wie die, dass die Schwaben an alle Wörter ein „le“ anhängen. Oder dass „Die Deutschen“ immer am liebsten große und billige Schnitzel essen. Aktuell sind dagegen Griechenwitze. „Sind Griechen da?“ fragt Ceylan in den Saal, worauf einige die Hände heben. „Habt ihr bezahlt?“. Das kommt ebenso gut an wie Ceylans Vorschlag, doch beim Griechen die Speisekarte rauf und runter zu essen und die Rechnung dann mit einem „IHR habt Schulden bei uns!“ zu quittieren.

Sowas kann man derzeit gefahrlos erzählen. Heikler sind schon Witze über Türken und Albaner, bei denen sich der Halbtürke Ceylan aber auf seine Herkunft berufen kann. „Ihr dürft des net saga, ihr seid dann gleich Rassisten. Aber ich darf des, ich bin Kanack!“ Ceylans bekannteste Parodie ist die, bei der er in die Rolle des Halskettchenträgers Hasan schlüpft. Wenn er dann sein üppiges Haupthaar durch die Luft schleudert und eine Angeberschnute zieht, ist das schon witzig, wenngleich ihm textlich nichts wirklich Zündendes einfällt. Was die Kanak Sprak an humoristischem Potential bietet, haben vor einigen Jahren Erkan & Stefan wesentlich einfallreicher gezeigt, von Mundstuhls „Dragan & Alder“ ganz zu schweigen. Aber vielleicht folgt Bülent Ceylan, von dem man früher auch schon intelligentere Nummern gesehen hat, einfach dem Erfolgsrezept von Mario Barth: je platter, desto erfolgreicher.

Ceylans zweite Gag-Schublade ist die mit Späßen unterhalb der Gürtellinie.

Am meisten Spaß hat er, ähnlich wie Vierjährige, an Anspielungen auf Körperausscheidungen: Witze mit „Saichen“, respektive Urinieren, sind so etwas wie der Running Gag des Abends, und wenn Ceylan auf gespielt verdruckste Art über die männliche Unbill erzählt, mit einer, nun ja, Morgenlatte, Wasser lassen zu müssen, spürt man ein verschwörerisches Einvernehmen zwischen dem Comedian und seinem Publikum darüber, Erziehung und Erwachsensein, bzw–werden jetzt einfach mal beseite zu lassen:„Scheißdruff!“

Neben Hasan schlüpft Ceylan noch in weitere bekannte Rollen: die des Hausmeisters Mompfred mit seiner „Pumpewasserzong“, der allerdings auch schon lustigere Szenen hatte, dazu Gündaa, der Yeti, und die blasierte Pelzhändlergattin Anneliese, die „Kongruenzen“ statt „Konsequenzen“ sagt und sich für „raffinieriert“ hält: „Männer regieren die Welt, aber Frauen haben auch manchmal ihre Tage.“ Das Publikum ist begeistert, und am Ende singt Bülent Ceylan, wie immer, ein Lied: diesmal aber kein Rocksong zum Headbangen, sondern eine ganz und gar unironische Ballade, bei deren Text Hartmut Englers Befindlichkeitslyrik gar nicht weit scheint:“ Nur ein toter Fisch/schwimmt nicht mit dem Strom/ich geh nach vorn/ und nicht zurück.“ Dazu leuchten die Handys. (StZ)

Das neue Soloprogramm „Ha komm!“ von Ernst Mantel im Renitenz-Theater Stuttgart

28.
Sep.
2012

Haschta la vischta

Diese Kerle kennt jeder. Sie sind Anfang bis Mitte Fünfzig, tragen Sonnenbrille, Dreitagebart und eine dicke Uhr und reihen sich mit ihrem schwarzen Cayenne an der Ampel immer auf die linke Spur ein: „Bindergerhard“ stellt er sich vor, „also Gerhard Binder“, „mei Freindin nennt mi Gary“. Gary ist freier Architekt aus dem „Großraum Böblingen/Sindelfingen“, fitnessorientiert und polyglott und ein Schwätzer vor dem Herrn. Ein typisch schwäbischer Archetypus aus dem Stuttgarter Speckgürtel, den der Komiker Ernst Mantel in seiner ganzen anbiedernden Coolness zum Brüllen komisch auf die Bühne bringt. Ein Aufreißer will Gary schon sein, klar, ein Frauenversteher aber nicht: „Frauen? Da steckst du halt nicht drin.“

Jaja, der beste Humor ist immer noch der unfreiwillige, und der Komik, die hinter dem Alltäglichen lauert, ist Ernst Mantel nun schon seit Jahren auf der Spur.

„Ha komm!“ heißt sein neues Soloprogramm, das nun im gut besuchten Renitenztheater in Stuttgart Premiere hatte, und manchmal muss Mantel dabei gar nicht viel übertreiben, um bekannte Situationen zu zwerchfellerschütternden Szenen zuzuspitzen: wie bei den Gesprächen am Check-in-Schalter eines Billigfliegers, dem Arztbesuch eines ungezogenen Bengels mit seinem Opi („Anthony, gib Handabatsch!“) oder den Prahlereien eines neurotischen Viellesers. Am besten ist Mantel aber als Sprachjongleur und Wortakrobat: wenn er sich Eigenarten der schwäbischen Lautbildung vornimmt wie jene, aus „st“ „scht“ zu machen und daraus Wortkaskaden bildet, die sich wie Sturzbäche über das Publikum ergießen („Haschta la vischta, Horscht!“). Oder wenn er in einer nicht minder brillanten Szene eine verunglückte Redewendung auf die andere türmt: „den Iren gibt’s der Herr im Schlaf“. Nicht alles ist freilich neu am neuen Programm: Lieder wie „Scheissabach“ oder „Schwarzwurstring“ zählen schon länger zum Repertoire, manches andere ist dagegen noch so neu, dass es Mantel noch vom Blatt liest. Aber was soll´s: man kann ja nicht alles auf die lange Schulter schieben. (StZ)

Eine weitere Aufführung im Renitenztheater am 28.November

 

 

Der holländische Musikkomödiant Hans Liberg begeisterte im Stuttgarter Hegelsaal

20.
Jan.
2012

Hans Liberg

Bach, Deep Purple und das Carglass-Jingle

 

Kennen Sie Glenn Gould? Falls ja, dann hätten Sie sich bei Hans Libergs zweiter Zugabe wahrscheinlich vor Lachen gekringelt. Der setzte sich auf einen mitgebrachten hölzernen Klappstuhl mit gekürzten Beinen, mit dem Kinn fast auf Tastaturhöhe und begann mit steifen Fingern die Aria aus Bachs Goldbergvariationen herunterzustochern. Dabei blickte er leicht manisch drein und ließ einen heiseren Singsang in der Art ertönen, wie ihn auch der genialische Kanadier pflegte. Großartig. Ja, man muss schon ein bisschen musikalische Grundbildung mitbringen, will man all die Anspielungen und Verweise des gebürtigen Amsterdamers verstehen, der sich als Musikkabarettist bezeichnet, aber vielleicht doch eher ein Musikkomödiant ist.
Politische Anspielungen kamen in seinem Programm jedenfalls kaum vor, dafür jonglierte er bei seinem Auftritt im Stuttgarter Hegelsaal umso virtuoser mit den musikalischen Genres zwischen Bach, Deep Purple und dem Carglass-Jingle. Nicht nur einmal nutzte er dabei die Fallhöhe der hehren Klassik: wenn er die gemeinsamen Wurzeln von Bachs „Badinerie“ und dem Lied aus der „Sendung mit der Maus“ belegte oder aus einer haydnschen Klaviersonate einen Klingelton herausdestillierte. Wie sein Vorbild Victor Borge hat auch der studierte Musikwissenschaftler Liberg instrumental einiges drauf: neben seinen beachtlichen pianistischen Fähigkeiten durfte er auch als versierter E-Gitarrist und Trommler mächtig Applaus einfahren. Unterstützt wurde er dabei von zwei Mitmusikern am Bass und Schlagzeug („was noch übrig ist von der WDR-Bigband“) sowie einem jungen Schlaks, der ihm auch als Tanzpartner in einer zwerchfellerschütternden Persiflage von „Stayin alive“ assistierte. Das Publikum jedenfalls hatte Liberg in kürzester Zeit auf seiner Seite, was sich auch an der Bereitschaft zeigte, mit der es auf seine Aufforderungen zum Mitsingen einging. Egal ob Volkslieder, Beatlessongs oder Rockklassiker wie „Proud Mary“ – eine Handbewegung genügte und Hunderte begannen im Chor mit einzustimmen. Das muss man erst mal hinkriegen, wenn man nicht Gotthilf Fischer heißt. (Stuttgarter Zeitung)

Dieter Hildebrandt mit den Philharmonischen Cellisten Köln im Theaterhaus Stuttgart

16.
Dez.
2011

Strotzend vor Lästerlust

Nein, zur vorweihnachtlichen Erbauung tragen solche Witze nicht bei: Pontius Pilatus fragt Jesus, ob er derjenige sei, der sich als Sohn Gottes ausgebe. Jesus zögert, er sei sich nicht ganz sicher: „Aber nageln Sie mich da bitte nicht fest!“ Nun, Zartbesaitete dürften sich ohnehin nicht auf den Weg zu Dieter Hildebrandt ins Theaterhaus gemacht haben, denn dass das 84-jährige Urgestein des deutschen Kabaretts auf weltanschauliche Empfindlichkeiten wenig Rücksicht nimmt, ist hinreichend bekannt. Als „störende Einwürfe eines Weihnachtsmuffels“ hatte Hildebrandt das Programm „O du Fröhliche – Pfefferkuchen für die Ohren“ angekündigt – und er sollte sein Versprechen halten, denn fast alle bekamen hier ordentlich was auf die Löffel. Gleich zu Beginn nahm sich der vor Lästerlust geradezu strotzende Hildebrandt die im Zerfall befindliche FDP-Boygroup vor, und kommentierte den Abgang des Generalsekretärs mittels einer Weihnachtsliedparaphrase: „Sah ein Knab den Rösler stehn/wollte ihn geschickt umgehn/ist ihm nicht gelungen“. Auf diesem Niveau ging es weiter. Kaum ein Thema wurde während des gut zweistündigen satirischen Rundumschlags ausgelassen, von der Eurokrise („Wir könnten den Griechen zu Weihnachten unsere Regierung schenken“) über Guttenberg („der bestgekämmte Politiker“) zu den Absonderlichkeiten winterlichen Sport-TV-Programms: zwerchfellerschütternd Hildebrandts Ausführungen über das, was bei den Übertragungen von Disziplinen wie Skispringen, Biathlon oder Curling („Wärmflaschen über Eis schieben“) zu sehen, beziehungsweise eben nicht zu sehen ist.

Und so wie der grantelnde Sprachvirtuose den Zeitgeist aufs Korn nahm, drehte das Sextett der Philharmonischen Cellisten Köln in seinen musikalischen Zwischenspielen einiges von dem durch den Fleischwolf, womit einem zurzeit in Kaufhäusern und Weihnachtsmärkten die Ohren verkleistert werden. „Ave Maria“ entzückte als Bearbeitung mit obligatem Vogelpfeifen, „O Tannenbaum“ wurde gleich ausgebürgert an die Copacabana. Erfrischend unbesinnlich! (Stuttgarter Zeitung)

 

Ernst Mantel feiert im Renitenz sein 30-jähriges Bühnenjubiläum

08.
Jul.
2011

Feinripp unterm Dinnerjacket

Nein, so kennt man Ernst Mantel eigentlich nicht. Mit weißem Dinnerjacket, Stehkragenhemd (unter dem sich aber das Feinrippunterhemd deutlich abzeichnet) und mit schwarzer Fliege entert er im Stil amerikanischer Entertainer die Bühne des Renitenztheaters, auf der zuvor schon die Musiker der Tobias Becker Bigband Platz genommen und das Publikum im Saal mit swingenden Music-Hall-Rhythmen aufgewärmt haben. „Die Mantel-Gala“ heißt das Programm, mit der das Ex-Kleine-Tierschau-Mitglied, das sich in den letzten Jahren mit seinem Duo „Ernst &Heinrich“ sehr erfolgreich in der Kabarett- und Comedyszene etabliert hat, sein dreißigjähriges Bühnenjubiläum feiert – und da dürfen etwas Glanz und Glamour ja schon sein. Aber Mantel wäre nicht der begnadete Komiker, würde er nicht auch diese Rolle parodieren: indem er selbstverliebt den Kopf nach hinten wirft oder verzückt den Blick nach unten auf seine tänzelnden Füße wirft, macht er schnell klar, dass er auch mit dieser Rolle nur spielt. Die Wandlungsfähigkeit, mir der Mantel in verschiedenste Rollen schlüpfen kann, ist eine seiner Stärken – das wird auch an diesem Abend deutlich, an dem er einige seiner komödiantischen Stationen Revue passieren lässt. Dazu zählen frühe Lieder aus seiner Tierschau-Zeit, aber auch aktuelle Songs aus seinen Solo- und Duoprogrammen wie „Scheissabach“ oder „No me hai“, zu dem dann sein Duopartner Heiner Reiff auf die Bühne kommt. Dazu gibt es eine kleine Diaschau mit Bildern aus der Tierschauzeit, als Mantel so legendäre Figuren wie den „Lurchi“ oder den „Heulenspiegel“ verkörpert hat. Seine beiden Ex-Kollegen sind darauf aber nirgends zu sehen – der Riss zwischen ihnen muss groß sein.

Erstaunlich, dass auch die Bigband-Arrangements jener im typischen Mantel-Moritatenstil konzipierten Songs wie „Dr Anfang“ ziemlich gut funktionieren. Gegen Ende – Mantel hat sein Dinnerjacket inzwischen abgelegt – servieren dann noch die famosen Vokalkünstler der Gruppe „Die Füenf“ ihr zwerchfellerschütterndes Lebensmittelmedley. Natürlich mit dem Klassiker „Schuhsohlenleder“.
(Stuttgarter Zeitung)

Robert Kreis mit seinem Programm“ Ach, du liebe Zeit“ im Stuttgarter Varieté-Theater

11.
Aug.
2010

Wenig Neues vom Altmeister

Ein Glück, er ist wieder da! Noch ein bisschen schmaler als sonst, ein bisschen blasser vielleicht auch (oder ist´s bloß die Schminke?), aber nach wie vor die Eleganz in Person – so steht er nun wieder bis einschließlich 21. August auf der Bühne des Stuttgarter Varieté-Theaters: Robert Kreis.

Man hat sich ja schon Sorgen gemacht um ihn. Am 27. Juli hätte die Premiere sein sollen, dann kam die Nachricht, er läge im Krankenhaus. Eine Brustmuskelentzündung, hieß es zuerst, dann war die Rede von einer Herzoperation, tatsächlich bekam er eine neue Herzklappe eingesetzt. Nun sei alles wieder in Ordnung, betont der 60-jährige Entertainer gegen Ende seines Soloprogramms im nahezu ausverkauften Theater – und die andere Klappe, die unter der Nase, die funktioniere ja nach wie vor bestens.

Wohl wahr. Kreis ist ein Conférencier der alten Schule, wie es heute kaum noch welche gibt. Wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit steht er da, tadellos befrackt, mit messerscharf gezogenem Menjou-Bärtchen über den feinen Lippen. Kaum einer beherrscht die Kunst des anspielungsreich zweideutigen Parlierens so gut wie er, der auch grenzwertige Zoten mit einem nachgeschobenen „Herrlich, herrlich..“ und gepflegtem holländischen Akzent genießbar machen kann. Dazu verfügt er über eine zwerchfellerschütternde Virtuosität im singenden Charakterisieren, die man als phonetisches Grimassieren bezeichnen könnte: alle Tonlagen hat er dabei drauf, ob Tussi, Affe im Zoo oder gehörnter Ehemann, dabei sind Brauen, Lippen, Stirn in ständiger Bewegung.

Schade bloß, dass es bei seinem „Brandneues von Robert Kreis“ untertitelten Programm „Ach, du liebe Zeit“ wenig Neues zu hören gibt. Das Meiste kennt man nämlich schon: ob sprachakrobatische Gedichte wie „Heut‘ ist heut‘ für einen Tag“, Anekdotisches wie über „Ella vom Heißen Eck“, die jüdischen Witze über Samy und Moshe, oder auch Sprüche wie die über den Papst, der jetzt Griechisch lerne, weil er mit seinem Latein am Ende sei – solches hat er lange schon im Repertoire. Das wäre allein nicht weiter schlimm, kann man doch gerade viele seiner Chansons mit Vergnügen auch mehrmals hören. Doch zum einen ist der Abend sehr wortlastig – irgendwann verliert das Witzevorlesen aus Zwanzigerjahremagazinen dann doch an Reiz, und ein wirklicher Kabarettist ist Kreis nicht. Zum anderen geht das Konzept, bei dem er die Krisenstimmung der ausgehenden Zwanzigerjahre mit unseren aktuellen Wirtschafts- und Bankenturbulenzen kurzschließen wollte, trotz einiger Analogien nicht schlüssig auf. Zwar lassen sich einige Lieder und Couplets wie das des Kabarettisten Armin Berg, der im Jahr 1931 die Frage stellte: „Wovon leben die Leut?“ auch auf die Hartz 4-Diskussion beziehen. Und wenn Willy Rosen textete „Miese Zeiten, miese Zeiten, wo man hinschaut, lauter Pleiten“, dann denkt man natürlich an den Bankrott der Lehman Brothers und dessen Folgen. Aber der Abgesang auf wertlose Aktien wirkt ebenso überholt in einer Zeit, wo der Dax schon wieder auf Rekordkurs ist wie manche Anspielungen auf die Bundespolitik: wenn Kreis einem Vorkriegsschlager mit Merkel und Müntefering ein personales Update verpasst.

Nein, man wird das Gefühl eines irgendwie zusammengestoppelten Programm nicht ganz los. Zu viel Füllstoff – auch Denglisch-Parodien hat man zur Genüge gesehen – zuviele Sprüche, die in ihrer augenzwinkernd-provokanten Anzüglichkeit („Wenn die Frauen verblühen, verduften die Männer“) auf die Dauer etwas altherrenhaft-Verstaubtes haben. Vielleicht, so überlegt man, geht Robert Kreis mittlerweile einfach das Material aus? Lässt sich vielleicht irgendwann einfach nichts Zündendes mehr finden aus den Golden Twenties?

Die Stimmung im Saal ist gut, doch echte Begeisterung kommt erst auf, als Robert Kreis bei den Zugaben auf zwei seiner Paradestücke zurückgreift. Der Lachfoxtrott ist ebenso ein Stück, das nie seine Wirkung verfehlt wie „Wo, wo, wo, ham wir uns schon gesehn?“ Da ist der begnadete Grimasseur und Charmeur Robert Kreis wieder ganz bei sich. Und wir bei ihm. (Stuttgarter Zeitung)

Philipp Scharri im Theaterhaus

31.
Jan.
2010

Kochen bei Kants

Es wird heute ja viel gemeckert darüber, dass es keine geistreiche Unterhaltung mehr gebe, was ja auch stimmt: dass Dumpfbacken wie Mario Barth ganze Stadien füllen, zeigt das klägliche Niveau, auf das sich der Massengeschmack in puncto Humor eingependelt hat. Umso schöner, dass es junge Künstler gibt, die nicht die üblichen Klischees bedienen wie der gebürtige Rheinländer Philipp Scharri, der seine Zelte mittlerweile in Stuttgart aufgeschlagen hat. Er wurde bekannt als Poetry Slammer, 2009 gewann er darin sogar die deutsche Meisterschaft. Sein Programm „Der Klügere gibt Nachhilfe“, das er nun im Theaterhaus zum Entzücken eines begeisterten Publikums gegeben hat, geht aber weit darüber hinaus: denn auf der einen Seite ist Scharri ein brillanter Zeitgeistdiagnostiker, der in seinen im Balladenton vorgetragenen, zum Teil selbst am Klavier begleiteten Suaden manches von dem auf die Pointe bringt, was uns an alltäglichem Wahnsinn so passiert: ob es nun um Twittern geht, Beziehungsmissverständnisse oder den Zwang zur Originalität, mit der Friseure ihre Betriebe titulieren. Ähnliches machen andere zwar auch, aber kaum einer mit einer derartigen Virtuosität: denn Scharri ist ein Verseschmied von Wilhelm-Busch-Format, der Tinnituspfeifen auf Minibusreifen reimt und auch noch inhaltlich schlüssig zusammenkriegt. So richtig brillant wird der studierte Germanist Scharri aber, wenn er mit Bildungsgut jongliert. In „Kochen bei Kants“ etwa lässt er die Philosophen von Platon bis Wittgenstein zum Gockelbraten antreten, worauf Fragen von beträchtlicher Relevanz aufgeworfen werden: schmeckt auch ein Huhn, wenn es keiner probiert?