Beiträge der Kategorie ‘U-Musik’

Diana Krall in Stuttgart

08.
Okt.
2015

Zeitreise durch die Jazzgeschichte

Wer Diana Krall nur von Platten kennt, kann leicht ein falsches Bild von ihr bekommen. Auf ihren Covers posiert die Blondine schon mal in Dessous, auch sind viele ihrer Aufnahmen von Jazzklassikern mit reichlich Streicherfett auf den Geschmack eines breiten Publikums getrimmt worden. Sie weiß eben, wie das Geschäft funktioniert. Aber das ist nur die eine Seite.
Denn auf der Bühne zeigt sich die andere, echte Diana Krall. Keine Diva, keine Showlady, sondern eine sympathische, casual gekleidete Frau, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt hat: 20 Jahre jobbte sie als Barpianistin, ehe sie als Musikerin erste Erfolge hatte. Am Mittwochabend nun hat sie zusammen mit ihrer erlesenen Band das Publikum im voll besetzten Beethovensaal zwei Stunden lang auf eine Zeitreise durch die Jazz-und Popgeschichte mitgenommen.
Der mit Röhrenradios und historischen Mikrofonen etwas künstlich auf Retro dekorierte Saal deutete schon optisch an, dass es nicht um neue Songs gehen würde, und so begann das Konzert mit Harry Woods´ “We just couldn´t say goodbye“ aus ihrer CD „Glad Rag Doll“: einem typischen 30er Jahre-Song mit Stride-Piano Elementen, mit dem Diana Krall ihre zunächst etwas heiser klingende Stimme auf Betriebstemperatur brachte. Der Gitarrist Anthony Wilson und der Geiger Stuart Duncan deuteten mit feinen Soli schon mal ihre Klasse an – was sie wirklich drauf haben, sollten sie später zeigen. Zunächst ging es aber mit einigen Jazzklassikern weiter. Darunter viele Stücke von Nat King Cole, wie etwa „You call it madness“ oder „Sunny side of the street“, von Diana Krall etwas distanziert und mit einem gewissen Understatement, aber mitnichten ohne Gefühl gesungen. Die Auswahl der Songs erschien zunächst willkürlich, offenbarte dann im Laufe des Abends aber eine ausgeklügelte, den Spannungsbogen wahrende Dramaturgie. Dazu gehörte ein von einer (überflüssigen) Mondprojektion auf den Bühnenhintergrund garniertes Mond-Medley, (mit „Fly me to the moon“ ), eine sehr schöne Adaption von Bob Dylans „Wallflower“ (das Titelstück von Diana Kralls aktueller CD) und einige stilistische Solitäre wie Tom Waits´ “Tempation“: hier wechselte nicht nur Diana Krall vom Steinway zum Fender Rhodes und zurück, auch ihre Musiker machten aus dem Stück eine Demonstration stilistisch versierten Improvisierens auf nicht nur technisch großartigem Niveau. Das Publikum war am Ende begeistert, der halbstündige Zugabenblock zeigte noch mal alle Facetten von Diana Kralls Kunst: mit einem sehr atmosphärischen „Boulevard of Broken Dreams“ und „Deed I do“ als Schlusspunkt – einem Song von 1926, mit dem sich der Kreis zum ersten Stück des Abends schloss. (StZ)

„Die Füenf“ feierten ihr 20-jähriges Bestehen

28.
Sep.
2015

Party mit Patrick

 

csm_fuenf_gross_f4b5fbb1c7Um den Erfolg der Vokaltruppe „Die Füenf“richtig einschätzen zu können muss man sich klarmachen, dass er dem Trend der Unterhaltungsmusik eigentlich völlig zuwiderläuft. Hier werden nämlich musikantische Fertigkeiten zunehmend durch Technik ersetzt – kulminierend im aktuellen Hype um jene DJs, die, wie zu lesen ist, die wirklichen Popstars unserer Zeit seien. Tatsächlich füllen die Plattenaufleger riesige Hallen mit ihren – nun was, Konzerten? Irgendwie will der Begriff da nicht recht passen. Jedenfalls verkörpern die Füenf den Gegenentwurf, als sie sich auf das beschränken, was der Ursprung aller Musik ist: reiner Gesang.
Keine Technik außer der Bühnen-PA, nicht mal Instrumente, das erscheint heute fast archaisch – und kann doch so altmodisch nicht sein, denn der Beethovensaal war beim Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Bestehen der Füenf proppenvoll. Und auch wenn einige Mitglieder der Gruppe allmählich ins gesetzte Mannesalter kommen, waren doch im altersmäßig ansonsten sehr gemischten Publikum viele junge und sehr junge Fans auszumachen – vielleicht der Lohn für die Kinder-CDs, die „Die Füenf“ aufgenommen haben.
Die Stimmung im Saal war jedenfalls erwartungsfroh. Eine große Party sollte es werden, natürlich mit den bekannten Hits, dazu waren neben früheren Bandmitgliedern Gäste wie „Eure Mütter“ angekündigt – auch über einen ganz besonderen Überraschungsgast wurde gemunkelt, wenngleich genaueres nicht zu erfahren war. Als musikalischen Apero servierten Die Füenf ihr bekanntes Spirituosenpotpourri („Eine neue Leber ist wie ein neues Leben“), gefolgt von einigen Songs aus ihrer CD „Phase 6“ wie „Fussel“ oder „Umdrehn brinx nix“. Letzerer zeigt eine Qualität, die die Füenf neben ihrer sängerischen Exzellenz besonders auszeichnet: die persiflierende Anverwandlung unterhaltungsmusikalischer Phänomene – hier der Howard-Carpendale-Akzent – ohne dabei das Vorbild der Lächerlichkeit preiszugeben. Dieser Grundrespekt bleibt auch bei dem aus Patrick-Lindner-Songtiteln kompilierten Schlagermedley „Bring mir die Sonne“ gewahrt, wo das Publikum zum Mitsingen animiert wird – und dürfte wohl auch die Basis dafür gewesen sein, dass nach der Pause zu „Bring mir die Sonne“ tatsächlich Patrick Lindner selber aufs Podium kam! Angeblich wusste der von einem Auftritt in Erfurt unter dem Vorwand einer Party nach Stuttgart gelotste Schlagerstar, der an diesem Tag seinen 55. Geburtstag feierte, bis zuletzt nicht, was ihn erwartet. Bereut dürfte er es nicht haben: das Publikum war entzückt ob des prominenten Besuchs, Lindner nahm es souverän und sang gut gelaunt die Refrains mit. Danach konnte eigentlich nichts mehr schief gehen – ging es auch nicht. Tolle Party!   (StZ)

Jazz Open Stuttgart

16.
Jul.
2015

Es konnte einem schon etwas bang werden, als sich am Donnerstag abend eine tiefdunkle Wolke wie ein riesiger Keil über den Stuttgarter Talkessel schob, während das Publikum im Ehrenhof des Neuen Schlosses den Auftritt von Gregory Porter erwartete. Doch irgendein wohlmeinender Windgott blies das finster dräuende Gebilde dann rechtzeitig wieder weg.
Open air Veranstaltungen bergen eben ein gewisses Risiko, das die Veranstalter der Stuttgarter Jazz Open nun seit vielen Jahren in Kauf nehmen – man erinnert sich an Konzerte in den vergangenen Jahren, die man unter ganzkörperkondomartigen Regencapes verfolgte. In diesem Jahr aber hatte man nicht nur mit dem Wetter Glück, denn neben der Qualität stimmte auch der Publikumszuspruch: mit insgesamt 29.000 Besuchern während der zehn Festivaltage gab es einen neuen Rekord. Dazu trug auch das Konzert mit Gregory Porter bei, dem derzeit weltweit wohl angesagtesten Jazzsänger, der zusammen mit dem 50-köpfigen holländischen Metropole Orchestra einen fulminanten Auftritt hinlegte. Porter sang vor allem Titel aus seiner Erfolgsplatte „Liquid Spirit“, holte sich für Bill Withers´ „Grandma´s Hands“ aber auch noch einmal Diane Reeves, die zuvor das erste Konzert des Abends bestritten hatte, zu einem mitreißenden Duett auf die Bühne. Porter, der Mann mit der Mütze, hat seine Wurzeln sowohl im Soul wie im Gospel, wobei es zu seiner Popularität beitragen dürfte, dass er sich mit seiner Musik ziemlich unverhohlen an Vorbildern wie Nat King Cole oder Marvin Gaye anlehnt. Aber er schreibt eben starke Songs. Den Rest macht sein charakteristischer Bariton.
Innovativen, zeitgenössischen Jazz gab es freilich auch bei den Jazz Open. Etwa beim Konzert des Brad Mehldau Trios im Event Center des Hauptsponsors Sparda Bank. Zusammen mit seinem fantastischen Bassisten Larry Grenadier und dem Schlagzeuger Jeff Ballard hat Mehldau das Zusammenspiel im Trio auf ein neues Niveau gehoben, das selbst große Vorbilder wie das Bill Evans Trio altbacken wirken lässt. Frappierend, mit welcher Selbstverständlichkeit dabei das Mehldau Trio verschiedenste Elemente in sein Spiel integriert und dabei immer den Eindruck absoluter Freiheit erweckt. Komplexe rhythmische Verschachtelungen münden in modale Flächen, innerhalb derer sich die drei Musiker in freier Improvisation in regelrechte Grenzzustände spielen, um plötzlich in einen Uptempo-Groove abzubiegen. Meist kauert Mehldau dabei mit geschlossenen Augen am Klavier, riskiert kaum mal einen Blick zu seinen Mitspielern. Das nennt man „blindes Verständnis“. Aber auch „konventionelle“ Stücke wie Edu Lobos „Valsa Brasileira“ oder Sidney Bechets „Si Tu vois Ma Mère“ zeigen die immensen Möglichkeiten dieses Trios.
Dieses Konzert zählte zu den Höhepunkten der Jazz Open wie der Auftritt der französischen Sängerin Zaz, die wie Gregory Porter auf der großen Open-air-Bühne im Schlosshof auftrat. Zaz ist ja das Kunststück gelungen, das nach Patricia Kaas und Georges Moustaki lange Zeit brach liegende Feld der französischen Chansontradition wieder neu mit Inhalt zu füllen. Zwar wird sie gern mit der legendären Edith Piaf verglichen, was ihr freilich nicht gerecht wird. Anders als die scheue Pariserin ist Zaz ein Energiebündel, das mit ihrer Mischung aus Giypsy-Jazz und Chanson das Publikum innerhalb kürzester Zeit in Hochstimmung versetzte. Die erste Hälfte ihrer Auftritts bestritt sie mit ihrer eigenen, hochkarätig besetzten Band und sang dabei überwiegend Titel ihres aktuellen Albums „Paris“, deren Texte von auffallend vielen im Publikum mitgesungen wurden. Als dann die Herren der SWR-Bigband auf der Bühne Platz nahmen, nahm der ohnehin schon mitreißende Abend noch zusätzlich Fahrt auf und mündete in ein triumphales, fast hymnisch zelebriertes „Oh, Champs Elysees“, zu dem sich auch die Hörer auf den teuren Tribünenplätzen erhoben. Es folgte Zaz´ Hit „Je veux“, nach dem der Beifall keine Grenzen mehr kannte. Weitere Zugaben verhinderte – es war 23.15 Uhr, akustische Sperrstunde – das Ordnungsamt. Stuttgart ist halt doch nicht Paris. (Südkurier)

Chick Corea und Bobby McFerrin im Stuttgarter Beethovensaal

21.
Jun.
2015

Die wollen nur spielen

Man kann darüber spekulieren, wie sich Chick Corea und Bobby McFerrin wohl auf ihre gemeinsamen Auftritte vorbereiten. Die wahrscheinlichste Antwort lautet: gar nicht. Möglich, dass sie vorher kurz überlegen, welche Standards sie aus der Kiste holen, ob „Blue Monk“ oder „Brasil“ oder beides, und wieviele Sänger und Pianisten aus dem Publikum sie zum Jammen aufs Podium bitten. Möglicherweise ist aber auch alles aus dem Moment geboren, und sie lassen es laufen, wie es eben kommt, und eigentlich ist es auch egal, denn die beiden sind schließlich Stars: Für Chick Corea, die 74-jährige Jazzpianolegende, und Bobby McFerrin, 65, den unbestrittenen König der gehobenen Vokalartistik, bezahlt wohl mancher allein deshalb an die hundert Euro, um sie überhaupt mal live erleben zu können. Selbstläufer, aus Veranstaltersicht. Und tatsächlich ist der Beethovensaal bis fast auf den letzten Platz gefüllt.
Dann kommen sie auf die Bühne, ganz locker, ganz relaxed. Casual gekleidet, mit Jeans und T-Shirt. McFerrin schnappt sich eine Tasse, an der er den ganzen Abend über immer wieder nippt, und das Ganze würde einem privaten Treffen nach Feierabend ähneln, wären da nicht die knapp zweitausend Menschen im Saal. Dann, nach ein bisschen Geplauder, geht es los. Corea präludiert auf dem Yamaha-Flügel, McFerrin pickt sich ein Motiv heraus, das er mittels Brustklopfen rhythmisiert und entwickelt daraus einen munteren Groove. Nach diesem Rezept werfen sie sich im Verlauf des Abends die Bälle zu und spielen damit herum, wobei auch das Publikum immer wieder zum Mitmachen animiert wird, Tonfolgen mitsummen oder Songtitel einwerfen darf.
Das ist fast genauso wie vor drei Jahren, als Corea und McFerrin schon einmal im Beethovensaal zu Gast waren. Wer damals dabei war, erinnert sich an einen musikalisch hochklassigen, ja beglückenden Abend, innerhalb dessen sich die beiden gegenseitig zu musikalischen Höhenflügen aufschaukelten. Was mit einem simplen Pattern begann, nahm da die verblüffendsten Wendungen, mündete in einen Bossa Nova oder einen Standard aus dem American Songbook, unvorhersehbar, aber einer inneren, aus der Inspiration geborenen Logik folgend.
Nun ist das mit der Sponteanität so eine Sache: ist die Gefahr doch groß, dass ein bewährtes Rezept auf die Dauer zur Routine wird. Tatsächlich versanden an diesem Abend viele Ansätze zu gemeinsamer Improvisaton im Nirvana der Beliebigkeit. Corea klimpert vor sich hin, McFerrin klopft sich auf die Brust und lässt seine Stimme in bekannter Manier vom Brust- ins Kopfregister umschlagen und zurück – das könnte, da von keinem Spannungsbogen strukturiert, noch Stunden so weiter gehen oder auch sofort enden. Es ist eine prekäre Gratwanderung zwischen Spaß am Musikmachen und Zeittotschlagen, und McFerrin scheint dabei zu spüren, dass Langeweile droht. Er gibt noch mehr den Kindskopf als sonst, albert herum, bearbeitet mit dem Mikrofon die Klaviertasten. Auffällig oft animiert er das Publikum zum Mitmachen, und einmal gelingt ihm ein ungemein intensiver Moment, als er ein beiläufiges „Oh-oh“ aus dem Publikum aufgreift und daraus, von Corea kongenial unterfüttert, eine Art Litanei entwickelt. Ansonsten spielen Corea und McFerrin auch mal vierhändig Klavier und wechseln, ohne dabei mit dem Spielen aufzuhören, die Plätze – was ebenso nachhaltig für Vergnügen sorgt wie die Talentproben zweier Hobbysängerinnen, die sich ziemlich erfolgreich an Nat King Coles „Smile“ versuchen. Einen großen, vielbeklatschten Auftritt hat auch ein Pianist aus dem Publikum, der den Mut besitzt, mit Chick Corea vierhändig zu spielen – der im übrigen mit einer längeren Soloimprovisation beweist, dass er nichts von seiner Klasse eingebüßt hat.
Bobby McFerrin allerdings muss mittlerweile seinem Alter Tribut zollen. Mag auch sein Stimmumfang noch beträchtlich sein, so trifft er vor allem die hohen Töne nicht mehr sicher, bei schnellen Tonfolgen und Arpeggien kommt er immer wieder ins Schleudern. Sängerschicksal.
Gegen Ende des Konzerts dann spielen sie noch Coreas wohl bekanntestes Stück, „Spain“. Das haben sie drauf, nehmen es auseinander und jonglieren mit den Motiven fast wie in einer klassischen Sonatendurchführung. Wirklich lässig. Der Beifall ist am Ende frenetisch, es gibt zwei Zugaben. Dann geht das Licht an im Saal. (StZ)

Mnozil Brass spielte bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

09.
Jun.
2015

Flamenco auf Jupiter

MnozilMnozil Brass sind Kult. Zweimal treten die glorreichen Sieben aus Wien bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen auf, beide Konzerte waren schneller ausverkauft als viele zum Telefonhörer greifen konnten. Eigentlich könnte Festspielchef Thomas Wördehoff in der nächsten Saison das Forum am Schlosspark gleich eine komplette Woche für die Comedybläser buchen. Das Publikum jedenfalls war nach dem ersten Konzert am Sonntagabend wieder derart aus dem Häuschen, dass den schon sichtlich erschöpften Mnozil-Mannen nichts anderes übrigblieb, als zu einer dritten Zugabe auf die Bühne zu kommen, wo sie dem längst stehenden Volk im Saal noch eine Jodlerparodie um einen beim Edelweißpflücken zu Tode gekommenen Alpenkraxler darboten.
Sehr wienerisch war das in seiner lakonischen Behandlung des Abkratzens, selbstredend zwerchfellerschütternd, und ansonsten übrigens rein vokal – was dann doch etwas Besonderes ist, als die Weltklasseblechbläser bislang ihre Sangeskünste nicht unbedingt in den Vordergrund gestellt hatten. Die Fallhöhe zwischen dem Dilettantischen und dem Professionellen aber wirkte hier ebenso als humoristischer Brandbeschleuniger wie zuvor in ihrer Version der „Bohemian Rhapsody“ mit dem grandiosen Wechselspiel zwischen perfekten Bläsersätzen und fistelnder Freddie Mercury-Imitation.
Anders als ihre letzten Programme besitzt „Yes, yes, yes,“ keinen roten Faden, sondern bezieht seinen Reiz aus der Fülle der thematischen Anspielungen und den unerwarteten Volten, die Musik und Bühnenaktion schlagen. Zu Beginn schleicht der Tubist Wilfried Brandstötter als tattriger Dirigent auf die Bühne, muss von seinen Kollegen erst mal gewendet werden und schlägt schließlich drei Sekunden nach dem Schlussakkord von Korngolds „The Sea Hawk“ ab. Später entwickelt Mnozil Brass aus einem kurzen Motiv, das der Trompeter Thomas Gansch seinem Kollegen Robert Rother zubläst, ein kollektives, genretypisches Klezmer-Schluchzen – das ist nicht bloß lustig, sondern vermittelt auch erhellende Einsichten über musikalische Topoi. Immer wieder spielt Mnozil Brass subtil mit Genres: Tom Jones 60er Jahre-Hit „Help Yourself“ changiert von einer Samba zu einer Polka und zurück, Gilbert O`Sullivans „Alone again“ klingt wie ein Arrangement von Gil Evans, bei „Don’t Worry, Be Happy“ von Bobby McFerrin werden dessen Publikumsanimationen gleich mit persifliert. Beckett und Slapstick, absurdes Theater und Klamauk liegen dabei dicht beieinander. Manche Verweise laufen zunächst ins Leere, bis sie dann unerwartet wieder aufgenommen werden: grandios in der „2001-Odyssee im Weltraum“ – Parodie mit Leonhard Paul als Raumfahrer, der auf dem Planeten jene Kastagnetten findet, die Roman Rindberger dort zuvor liegengelassen hatte. Es gab also schon Flamenco auf Jupiter! (StZ)

Mireille Mathieu im Stuttgarter Beethovensaal

11.
Mrz.
2015

Nicht alles „C´est si bon“

Was macht sie bloß mit all den Blumen? Nach jedem Lied bekommt Mireille Mathieu Sträuße auf die Bühne gereicht, an die dreißig, vierzig Bukette dürften es wohl sein im Lauf des Abends. Viele davon von gereiften Herren, manchmal zusammen mit einem Umschlag oder einem Geschenk. Auch rote Rosen sind darunter. Ach ja, l´amour! Die 68-jährige Mireille Mathieu singt viel von der Liebe an diesem Abend. „Es geht mir gut, merci, chèrie, das macht die Liebe!“ heißt es in einem ihrer bekanntesten Schlager, “Taratating, Taratatong“ beschwört das Glück der jungen Liebe ebenso wie „Martin“. Doch auch wenn die Zeiten junger Liebe für die meisten Besucher an diesem Abend im gut besuchten, aber nicht ausverkauften Beethovensaal ebenso passé sind wie für die Sängerin selbst, so wird man doch beim Hören dieser alten Schlager von einem nostalgisch-sehnsüchigen Gefühl erfasst – was auch damit zu tun hat, dass sich Mireille Mathieu weder optisch noch stimmlich sehr verändert hat. Die Pagenkopffrisur ist noch ebenso gut in Form wie ihre Stimme mit dem hellen, charakteristischen Timbre, fast alterslos wirkt sie in ihrem schwarzen Kleid. Und so fühlt man sich zurückversetzt in die siebziger Jahre, als Dieter Thomas Heck allwöchentlich im Zett-De-Eff die Hitparade moderierte. Es war die Zeit nach dem Wirtschaftswunder, als der Wohlstand etabliert war und man sich in Deutschland zunehmend für die Reize fremder Länder zu interessieren begann – sofern sie nicht gar zu fremd waren. Besonders Griechenland stand damals hoch im Kurs, Nana Mouskouri, Vicky Leandros oder Demis Roussos waren Dauergäste bei Heck. Caterina Valente vertrat Italien, für Mexico stand Rex Gildo, der zwar Deutscher war, was aber nicht weiter störte, und in die französische Lücke stieß – Mireille Mathieu. Der „Spatz von Avignon“ entsprach dem Typ der süßen kleinen Französin. Sie sah gut aus und sang toll, und vor allem machte es ihr nichts aus, auch auf deutsch und vor allem Schlager zu singen, was sie von den Diven des französischen Chansons unterschied. Denn eigentlich war die große Edith Piaf Mathieus Vorbild gewesen: 1964, nachdem sie einen Gesangswettbewerb in Avignon gewonnen hatte, kaufte der Bürgermeister ihr, die aus bitterarmen Verhältnissen stammte, eine Fahrkarte nach Paris, um sich mit anderen Amateurkünstlern in einer Sendung zu messen. Sie sang „Jezebel“ von Edith Piaf, danach durfte das Publikum abstimmen. Mireille Mathieu gewann. Es war der Auftakt zu einer Karriere, in deren Verlauf sie aber nie in die Fußstapfen der zwei Jahre zuvor verstorbenen Piaf zu treten vermochte – zu unterschiedlich waren ihre Charaktere. Die Piaf lebte ein ein gefährliches Leben mit vielen Liebschaften und Alkoholexzessen. Mireille Mathieu war tugendsam, katholisch und sehr diszipliniert.
Doch nicht zuletzt deshalb singt sie noch immer – den „Pariser Tango“ zum Beispiel, einer ihrer größten Hits, zu dem sie mit Tangoschritten von einem Ende der Bühne zur anderen schreitet. Ihre wirken Gesten etwas einstudiert: mit der rechten hält sie das Mikro, während die linke beschwörerisch durch die Luft fährt. Außer „Merci“ und „Danke“ sagt sie nicht viel, braucht sie auch nicht. Es reicht, dass sie da ist. Ihre elfköpfige Band mit den drei Backgroundsängern hält sich meist im Hintergrund und macht ansonsten einen guten Job, nur einmal an diesem Abend setzt sie sich lautstark in Szene: bei „Ce n´est rien“, einem der wenigen neuen Songs an diesem Abend, wo die Bassdrum poltert und Laserblitze durch den Saal zucken. Das Rockige aber passt irgendwie nicht recht zu ihr, es wirkt aufgesetzt. Die alten Schlager hört man zwar gern, bei „Santa Maria“ wird kräftig mitgeklatscht. Am authentischsten aber ist Mireille Mathieu, wenn sie echte Chansons singt. „Un dernier mot d´amour“ entstand 1978, und darin ist eben nicht alles „si bon“. Das Lied erzählt von der Bitternis einer vergeblichen Liebe, und mit jedem Vers bohrt sich der Stahlkern von Mathieus Stimme tiefer ins Herz, spürt man, dass diese kleine, tapfere Frau mehr zu erzählen hat als Schlagerweisheiten. Hätte man doch auch Blumen mitgebracht. (StZ)

Konstantin Wecker im Hegelsaal Stuttgart

17.
Nov.
2014

Alles im Griff

Willy lebt. Der aufrechte Revoluzzer aus Konstantin Weckers bekanntestem Lied wurde offenbar in den 70er Jahren nicht, wie es im Text heißt, in einer Kneipe von Rechtsradikalen erschlagen, sondern verkauft heute bei Weckers Konzerten CDs und Bücher. Dies verkündete Konstantin Wecker bei seinem Konzert im ausverkauften Stuttgarter Hegelsaal und dürfte damit wohl bei einigen Verwunderung ausgelöst haben: Taugte der Willy-Mythos doch trefflich, das Bild des Widerstandskämpfers Wecker auch biografisch zu untermauern. Weckers Eingeständnis, in der Willy-Ballade etwas dramatisiert zu haben, passt aber durchaus zu seinem Auftritt an diesem Abend. Nach diversen Abstürzen hat der 67-Jährige sein Leben, trotz der Trennung von seiner Frau Annik im letzten Jahr, offenbar wieder im Griff und setzt nun auf Ehrlichkeit – auch sich selbst gegenüber. Freimütig erzählt dem Publikum von seiner Zeit im Gefängnis und seinem Drogenkonsum und kann sich dennoch einen Seitenhieb auf den ihn damals verurteilenden Richter nicht verkneifen: der habe sich von Weckers Lied „Der Herr Richter“, indem es um einen Exhibitionisten geht, wohl persönlich angegriffen gefühlt, und – so Weckers Unterstellung – ihn deswegen besonders hart bestraft. Wie auch immer: nötig hätte Wecker derlei späte Abrechnungen nicht. Denn seine Fähigkeiten als Liedermacher- und sänger sind immer noch aller Ehren wert. Der größte Teil seines Programms „40 Jahre Wahnsinn“ besteht aus jenen Lieder aus den 70er und 80er Jahren, die ihn einst berühmt gemacht haben: „Was tat man den Mädchen“, „Der alte Kaiser“, oder eben „Willy“, mit dem er das Konzert eröffnete. Wecker war damals ein Sprachrohr für den kollektiven Wunsch nach einer grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse, für die Sehnsucht nach „echtem“ Leben und tiefen Gefühlen. Dafür fand er treffende Metaphern und Bilder wie kein anderer Liedermacher, wobei seine Selbstgewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen, gelegentlich einherging mit einer gewissen Überheblichkeit gegenüber jenen, die das Feindbild markierten: Spießer, Kapitalisten, Militär, die „feine“ Gesellschaft.
Trotz der „Sag nein!“ und „Wehrt Euch!“- Appelle überwogen an diesem Abend eher die leisen, nachdenklichen Töne. Am stärksten ist Wecker als (Liebes-)Lyriker in Songs wie „Was mir der Wind erzählt“ oder „Weil ich Dich liebe“, berührend auch die Ode an seinen verstorbenen Vater und die zärtlichen Lieder, die er seinen beiden Kindern gewidmet hat. Und da Wecker stimmlich immer noch sehr gut in Form ist und zusammen mit seiner dreiköpfigen Band auch musikalisch einiges bot, zog er sein Publikum im Verlauf des Abends immer stärker in den Bann. Zugabe folgte auf Zugabe, bis sich Wecker, nach fast vier Stunden, endlich verabschiedete. Ein starkes Konzert. (StZ)

Meshell Ndegeocello und das Terence Blanchard E-Collective im BIX

02.
Nov.
2014

Freche Keyboardsounds und knurrender Bass

Diese Frau passt sich nicht an. Allein der Name – Meshell Ndegeocello – ist ja marketingmäßig ein Desaster – wie spricht man das aus? Und dann der Kurzhaarschnitt und das betont unweibliche Outfit….nein, das will so gar nicht passen zum Bild der sexy Singer-Songwriterinnen vom Schlag einer Norah Jones oder Katie Melua, die mit ihren Konzerten große Hallen füllen. Und dann spielt sie auch noch E-Bass, eigentlich eine klassische Männerdomäne.
Dennoch: das Konzert von im Jazzclub Bix am Samstag war gut besucht, was an Meshell Ndegeocellos Ruf als einer innovativen Musikerin liegen dürfte, die sich nicht ins Raster der Musikindustrie fügen will, sondern ihren eigenen Weg geht. Mitgebracht hatte sie mit Earl Harvin (drums), Jebin Bruni Keyboard) und Chris Bruce (Gitarre) jene Band, mit der sie auch ihr aktuelles Album „Comet, Come to me“ eingespielt hat. Nun ist das stilistische Spektrum von Meshell Ndegeocello groß: Funk, Rhythm ´n´ Blues, Jazz, Soul – sie hat eigentlich alles drauf, und so ist es immer ein bisschen überraschend, worauf sie gerade den Fokus legt. Bei ihrem aktuellen Projekt sind es eher die ruhigeren Töne: weniger jazzig, sondern eher im Stil klassischer Singer-Songwriter sind die meisten Stücke gehalten, wobei sie bei Titeln wie „Friends“ auch schon mal eine Prise Rap ins Spiel bringt. Einige der neuen Songs sind melodisch stark und interessant instrumentiert, andere eher simpel angelegt: recht monoton wiederholen sich da die Gesangslinien über eingängigen Akkordwechseln. Mit Leonard Cohens „Suzanne“ und „Don´t let me be misunderstood“ von Nina Simone bürstet sie auch zwei Klassiker geschmackvoll gegen den Strich, doch insgesamt wirkt vor allem der Schlagzeuger über weite Strecken unterbeschäftigt. Und obwohl der Keyboarder einige freche Sounds beisteuert, plätschert der Abend über weite Strecken etwas lau dahin. Spannend wird es, wenn Meshella zeigt, was als Bassistin drauf hat: da ist sie Weltklasse. Leider war das an diesem Abend selten der Fall.

Terence Blanchard

Terence Blanchard

Hoch dosierten Topklasse-Jazz gab es dafür am Abend zuvor im Bix beim Gastspiel des Terence Blanchard E-Collective. In den USA ist der Trompeter und fünffache Grammy-Gewinner längst eine Institution, hierzulande aber noch eher ein Geheimtipp, wie das längst nicht ausverkaufte Bix zeigte. Dieses Konzert war eine eindrucksvolle Demonstration des technischen und musikalischen Niveaus, das der zeitgenössische Jazz heute erreicht hat – zumindest in den USA. Mit seinem E-Collective etabliert Blanchard eine Qualität kollektiven Musizierens, das sich mit Begriffen wie „Solo“ oder „Begleitung“ nicht mehr adäquat beschreiben lässt. “Dichte“ oder „Spannungszustände“ wären Begriffe, die dem näher kommen, was während der ausgedehnten musikalischen Höhenflüge dieser Band passiert. Fast wie bei klassischen Kompositionen werden, in ständiger Kommunikation der Musiker, rhythmische und melodische Motive zunächst etabliert, dann aufgenommen und spielerisch variiert und verarbeitet, was aber zum Glück überhaupt nichts Akademisches hat – im Gegenteil. Denn mit spürbarer Lust am Zitieren würzt die Band ihr sehr avanciertes Spiel immer wieder mit augenzwinkernden Retroanklängen: da jault dann der Synthesizer wie einst bei Emerson, Lake & Palmer, groovt und knurrt der Bass wie der von Marcus Miller auf Miles Davis´ „Tutu“. Die fabelhafte Rhythmusgruppe mit Donald Ramsey (b) und Oscar Seaton (drums) wäre allein schon den Eintritt wert, doch wann hat man einen Gitarristen wie Charles Altura gehört, dessen harmonisch komplexe und melodisch ungewöhnliche Strukturen so gar nichts mit dem Skalengenudel zu tun haben, das die meisten Gitarristen gewöhnlich liefern? Auch der Keyboarder Fabian Almazan ist ein stilistischer Tausendsassa, der erst gegen Ende des Konzerts, bei dem Hendrix-Stück „Power of Soul“ seine kubanischen Wurzeln dezent einfließen lässt. Und frappierend die souveräne Coolness, mit der die Band hier auftritt, ohne im Mindesten arrogant zu wirken. Ach Amerika – zumindest beim Jazz hast du´s besser. (StZ)

Maria Bill singt Lieder von Edith Piaf

19.
Okt.
2014

Große Kunst

piaf_4Das von Schickalsschlägen durchzogene Leben von Edith Piaf könnte als Beleg für die These gelten, dass große Kunst und großes Leid zusammengehören. Von der Cousine Ihrer Mutter, einer Bordellbesitzerin, in der Normandie aufgezogen, wird sie mit 17 schwanger, ihr (einziges) Kind stirbt zwei Jahre später. Mit 20 wird sie des Mordes an ihrem Vater verdächtigt, kommt in Untersuchungshaft, ihre Karriere scheint beendet. Doch sie rappelt sich wieder auf, wird zu einem gefeierten Weltstar. Yves Montand, Charles Aznavour und Jean Cocteau zählen zu ihren Liebhabern, doch die Liebe ihres Lebens, der Boxer Marcel Cerdan, kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Mit 47 stirbt sie, ausgebrannt und alkoholabhängig, in Paris. In Edith Piafs Aufnahmen, im Timbre ihrer Stimme klingt dieses Leben, das auf uns in seiner verzehrenden Intensität gleichermaßen abschreckend wie anziehend wirkt, heute noch nach. Wer kann das singen?
Maria Bill. Zum Auftakt des 13. Stuttgarter Chansongfests im Renitenz-Theater gelingt der gebürtigen Schweizerin, unterstützt von dem großartigen Akkordeonisten Krzysztof Dobrek und Michael Hornek am Klavier das Kunststück, gleichzeitig in die Figur der Edith Piaf zu schlüpfen und deren Lieder doch neu zu interpretieren. In ihrem schwarzen Kleid wirkt die aparte 65-jährige ähnlich zart und fragil wie die Piaf. Doch anders als die auf der Bühne eher verschlossen wirkende Französin ist Maria Bill ein Energiebündel, eine vor Lebenslust vibrierende Frau, die mit ihrer Aura sofort das Publikum im gut gefüllten Theater in ihren Bann zieht. Im Stil großer Diseusen, mit ungemein wandlungsfähiger Stimme und körperlicher Präsenz lässt sie mit berühmten Chansons wie „La vie en rose“, „Sous le ciel de Paris“ und natürlich „Je ne regrette rien“ die Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit in Montmartre noch einmal aufleben. Zwei faszinierende, kostbare Stunden, die am Ende ein merkwürdiges Gefühl hinterlassen. Sehnsucht? (StZ)

Mnozil Brass beim Abschlusskonzert der Ludwigsburger Schlossfestspiele

31.
Jul.
2014

Begnadete Spaßvögel

Auch der Ludwigsburger Festspielintendant war bei seiner kleinen Ansprache vor Beginn des Konzerts schon vom Humor-Virus angesteckt. Er bitte um Verständnis, ließ Thomas Wördehoff das Publikum wissen, dass störungsfreies Telefonieren aufgrund der zu erwartenden Lautstärke der Musik an diesem Abend leider nicht möglich sei. Leonhard Paul, der langhaarige Zottel unter den drei Mnozil Brass-Posaunisten, übersetzte Wördehoffs Rede parallel dazu in eine ziemlich lustige Gebärdensprache, was das Publikum im ausverkauften Theater im Forum gleich in die rechte Champagnerlaune brachte. Warming-up nennt man sowas im Showbiz.
Das Publikum liebt die schräge Bläsertruppe aus Wien. Ihre Konzerte sind regelmäßig ausverkauft und so lag der Gedanke nicht fern, auch das Abschlusskonzert mit Mnozil Brass zu gestalten – ein spektakulärerer Schlusspunkt lässt sich kaum setzen unter eine insgesamt ziemlich erfolgreiche Festspielsaison.
Doch auch wenn die Auftritte von Mnozil Brass in der Regel eine sichere Bank sind, so gab es diesmal einige Unwägbarkeiten – galt es doch, auch das Orchester der Ludwigsburger Festspiele mit zu beteiligen. Das hätte durchaus danebengehen können. Ging es aber nicht.
Das lag vor allem an der intelligenten Dramaturgie des Abends, die das Orchester humoristisch mit einband, ohne den Musikern Ungebührliches abzuverlangen. Zwar wurde die Dirigentin Julia Jones schon mal von Trompeter Robert Rother über die Schulter gelegt und strampelnd abtransportiert. Auch einer Geigerin wurde nachhaltig zum Verhängnis, dass sie bei Leonhard Pauls Orchesterbegehung im Weg saß. Ansonsten aber machte das Orchester, was es am besten kann, nämlich Musik – selbst wenn das an diesem Abend etwas anders ablief als sonst. Mit Gioacchino Rossinis Ouvertüre zu Wilhelm Tell begann das Programm zunächst ganz konventionell. Der Solocellist spielte ausdrucksvoll, molto vibrato, die Stimmung tendierte zur Besinnlichkeit. Doch alsbald waren erste Störtöne aus dem Off zu hören, ehe ein Mnozil Brassler nach dem anderen die Bühne enterte und sie im Kollektiv damit begannen, dem Orchester das Heft aus der Hand nehmen. Es ist wirklich so: wenn diese sieben Virtuosen, aufgereiht auf der Rampe, fortissimo in den Saal blasen, dann hat ein Orchester schon lautstärkemäßig kaum noch eine Chance.
Doch die fabelhaften Sieben sind eben auch begnadete Spaßvögel.
Manchmal sind ihre Nummern purer Slapstick: wie der Olympiawettkampf in slow motion mit der zwerchfellerschütternden Synchronschwimmeinlage zu den Klängen des Donauwalzers. Oder das Posaunenduell zwischen Zoltan Kiss als goldkettenbehängtem Macho und dem „braven“, von ihm in die Ecke geblasenen Gerhard Füssl. Doch wenn Leonhard Paul als Krönung eines großartig lakonischen Soloauftritts mit je einem Fuß einen Posaunenzug und je einer Hand die Trompetenventile seiner Kollegen bedient und ihm dann noch der Stuhl weggezogen wird, auf dass er, quasi freischwebend, mit jeder Extremität ein Instrument spielend, in der Luft hängt, dann hat das fast zirkusreife Qualitäten. Von den musikalischen Qualitäten ganz zu schweigen.
Denn da macht Mnozil Brass so schnell niemand was vor. Jeder ist ein Spitzenkönner auf seinem Instrument, und zusammen sind sie eine Wucht. Sensationell ihre Version von Zawinuls „Birdland“, in der auch das Orchester stimmig eingebunden ist, ein Kabinettstückchen das Arrangement des Queen-Klassikers „Bohemian Rhapsody“ mit den Falsett-Gesangseinlagen.
Klar, dass das Publikum am Ende aus dem Häuschen war. Und hoffentlich auch klar, dass Mnozil Brass im nächsten Jahr wieder verpflichtet wird. Gell, Herr Wördehoff?

(StZ)